© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

"Absichtlich provokativ"
CDU II: Der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche wehrt sich gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus / Mangelnde Unterstützung aus der eigenen Partei
Marcus Schmidt

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche kämpft um sein politisches Überleben, nachdem ihm in den Medien vorgeworfen worden ist, er habe sich zum wiederholten Male rechtsextremistischer Parolen bedient.

Grundlage der Vorwürfe, denen sich Nitzsche ausgesetzt sieht, ist eine parteiinterne Veranstaltung im sächsischen Lieske, bei der sich der Abgeordnete gegen den deutschen "Schuldkult" ausgesprochen und die ehemalige rot-grüne Bundesregierung als "Multikulti-Schwuchteln" bezeichnet hatte. Neben der Frage, wie diese Äußerungen aus der internen Veranstaltung überhaupt an die Medien gelangten, stellt sich die Frage, warum sie jetzt, knapp ein halbes Jahr nach der Veranstaltung am 8. Juni, für einen Skandal sorgen.

Beide Fragen führen zum ehemaligen Vorsitzenden des CDU-Stadtverbandes Wittichenau, Ludger Altenkamp. Dieser, von Beruf Staatsanwalt in Hoyerswerda, nimmt für sich in Anspruch, Nitzsche bereits auf der Veranstaltung widersprochen zu haben. Anschließend habe er sich an die sächsische Parteiführung gewandt. Als der gewünschte Erfolg ausblieb und die Parteiführung nicht gegen Nitzsche vorging, legte er seinen Parteiposten nieder, und der Fall gelangte Ende vergangener Woche über den Tagesspiegel an die Öffentlichkeit.

Nachdem Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei den angeblich erneuten Fall von Rechtsextremismus in der CDU dankend aufgenommen hatten und der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, davon sprach, es handele sich hierbei tendenziell um einen zweiten Fall Hohmann, begannen die in ähnlichen Fällen bereits zu beobachtenden Absetzbewegungen der CDU von ihrem in Bedrängnis geratenen Parteifreund.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, der SPD-Politiker Sebastian Edathy, riet der CDU dazu "Nitzsche bei der nächsten Wahl nicht mehr aufzustellen". Dabei gilt Nitzsche abseits von zugespitzten Formulierungen als Beispiel für jene rar gewordene Spezies von konservativen CDU-Politikern, denen es gelingt, Themen zu besetzen, die allgemein als "rechts" gelten. Dies hatte sich bereits im vergangenen Bundestagswahlkampf gezeigt, als Nitzsche mit dem Spruch "Arbeit, Familie, Vaterland" um Wähler warb. Da die NPD diesen Spruch auf einem Parteitag ebenfalls benutzt hatte, wurde er dem CDU-Politiker fast zum Verhängnis (JF 36/05). Über die Berechtigung der von Nitzsche verwendeten Begriffe wurde auch in der CDU kaum diskutiert.

Die Freude in der Union darüber, daß der kantige CDU-Abgeordnete auch Themen aufgreift, die etwa die NPD besetzt hält, und es ihm damit gelingt, Wähler an die Volkspartei zu binden, hält sich in Grenzen. Mittlerweile wird ihm offen mit einem Parteiausschlußverfahren gedroht.

Nitzsche hat den Ernst der Lage erkannt. Er teilte mit, daß er seine Worte auf der besagten Veranstaltung "absichtlich provokativ" formuliert habe, um die Diskussion anzuregen. "Leider muß ich im nachhinein feststellen, daß die von mir gewählten Worte mehr als mißverständlich waren", sagte Nitzsche. Das bedauere er sehr. Und er fügte hinzu: "Ich erkläre hiermit ausdrücklich, daß ich mich von jeglichem rechtsradikalen Gedankengut distanziere." Ob diese Erklärung reichen wird, um seinen Kopf zu retten, hängt nun von der CDU ab.


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