© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Die Brache bleibt
Potsdam: Der Wideraufbau des Stadtschlosses rückt in weite Ferne / Linkspartei triumphiert
Steffen Königer

In Potsdam gibt es seit dem 20. November wieder eine regelmäßige Montagsdemonstration. Allwöchentlich treffen sich in der Brandenburger Landeshauptstadt Gleichgesinnte, die den Wiederaufbau des Stadtschlosses fordern. Eigentlich sollte der erste Spatenstich schon längst getan sein, ein neuer Landtag in der Gestalt der alten Knobelsdorffschen Kubatur von 1744 entstehen.

Beim ersten Treffen waren es 300, eine Woche später bereits 500 Teilnehmer. Zum Gejohle weniger linker Gegendemonstranten versucht der Stadtschloßverein, die Idee der Wiedererrichtung am Leben zu erhalten. Daß alles wieder offen ist, haben die Potsdamer Bürger der Unentschlossenheit einiger weniger zu verdanken. Die Weichen wurden auf einer denkwürdigen Versammlung der Stadtverordneten am 14. November gestellt. Hintergrund war eine zwei Wochen zurückliegenden Entscheidung an gleicher Stelle zur Bebauung des Areals in der Stadtmitte, wo bis 1960 das Stadtschloß stand und nun die große Leere herrscht. Die wiederzuerrichtende Schloßfassade sollte - so die Planungen von Landtag und Stadt - den Neubau des Brandenburger Landtags beherbergen. Bei fünf Enthaltungen wurde mit 22 zu 22 Stimmen eine Entscheidung aufgeschoben, die schon längst gefallen schien.

Weg für architektonische Experimente geebnet

Die erneute Abstimmung der Stadtverordneten sollte die Wende bringen: Doch eine SPD-Abgeordnete verstärkte die beiden Stadtverordneten der linksextremen Fraktion "Die Andere", die im Schulterschluß mit den 18 Abgeordneten der Linkspartei alles in Bewegung setzte, um den "revanchistischen Bau" zu verhindern. Als Monika Keilholz in der Sondersitzung ihre Entscheidung zum Seitenwechsel begründete, verließ die zehnköpfige CDU-Fraktion geschlossen den Saal. Dem üblichen Für und Wider folgte noch die Erklärung des einzigen DVU-Abgeordneten Günther Schwemmer, der zwar "prinzipiell nichts gegen ein Schloß" habe, jedoch gegen die "120-millionenfache Steuerverschwendung" sei, die der Landtagsneubau darstelle. So stimmte auch er mit der Linkspartei gegen den Bebauungsplan - eine eigenartige Konstellation.

Was dann in geheimer Abstimmung folgte, hätte eigentlich den Rücktritt von SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs erfordert. Der Bebauungsplan wurde bei 27 Gegenstimmen und 24 Zustimmungen abgelehnt. Da vorher die drei Bündnisgrünen wie die zwei Familienpartei-Stadtverordneten ihre Zustimmung versicherten, um so die Stadt vor einem schlimmen Schaden zu bewahren, heißt dies nichts anderes, als daß fast die Hälfte der zehn SPD-Verordneten gegen den Antrag ihres eigenen Bürgermeisters stimmten. Ein völlig zerknirschter Oberbürgermeister mußte seine Niederlage eingestehen und sprach davon, Potsdam sei mit dieser Entscheidung um Jahrzehnte in der Stadtplanung zurückgeworfen worden. Das Fortunaportal des Stadtschlosses, für dessen Wiedererrichtung Fernsehmoderator Günther Jauch maßgeblich verantwortlich zeichnete, steht noch viele Jahre allein auf weiter Flur. Unklar bleibt, wer nun die Kosten von 4,3 Millionen Euro für die bereits begonnene Erschließung trägt: Das Baufeld wurde schon mehrfach aufgegraben und wieder zugeschüttet. Zum Schluß der turbulenten Sitzung herrschte betretenes Schweigen - nur unterbrochen von dem Siegesgeheul der Linksextremen. "Sieg, Sieg, Sieg - wir haben gewonnen", verkündete Fraktionsgeschäftsführer Lutz Boede.

In der vergangenen Woche widmetet der Rundfunk Berlin Brandenburg seine Livesendung "Klipp und Klar" dem Stadtschloß. In der Runde saßen zwar mit Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, Oberbürgermeister Jann Jakobs, dem Architektursoziologen Werner Sewing und der Kabarettistin Barbara Kuster dem erklärten Schloßgegner Jürgen Scharfenberg (Linkspartei) vier Befürworter gegenüber - jedoch hatten die SED-Erben die Mehrheit im Publikum. So kamen bei der "Bürgerbefragung" zu drei Vierteln nur Gegner ans Mikrofon, von denen einer sogar Spaß daran hätte, das Schloß "noch einmal abzureißen".

Zu guter Letzt scheint nur sicher, daß ein Aufbau immer weiter in die Ferne rückt und selbst Befürworter sich immer weiter von einer historischen Fassade entfernen - und so architektonischen Experimenten den Weg ebnen. Die Stadtverordneten haben Potsdam offenkundig keinen guten Dienst erwiesen. Die Brache inmitten der Stadt wird noch auf Jahre die Touristen verschrecken.


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