© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

"Wahr di Kiel - de Buer de kummt"
Schleswig-Holstein: Die Dithmarscher wehren sich gegen die geplante Kreisreform und erinnern die Landesregierung an die Schlacht von Hemmingstedt
Peter Müller

Während sich andernorts in Deutschland ganze Regionen daran gewöhnen, daß Wahlversprechen von Politikern gebrochen werden, und sie sich in dieses Schicksal ergeben, lernt die Schleswig-Holsteinische Landesregierung die Menschen des Landkreises Dithmarschen frei nach ihrem Wahlspruch "Wahr di Kiel - de Buer de kummt" (Hüte dich Kiel, der Bauer kommt) von einer ganz anderen Seite kennen.

Grund für das Aufbegehren der selbstbewußten Norddeutschen sind die Pläne der Kieler Landesregierung, im Zuge einer Gebietsreform die Landkreise neu zu organisieren. Aus den bisherigen elf Kreisen und vier kreisfreien Städten sollen nach den Plänen von SPD und CDU fünf bis neun Kreise und zwei kreisfreie Städte, Kiel und Lübeck, gebildet werden. Dem Kreis Dithmarschen würde aller Voraussicht nach eine Fusion mit den Kreisen Steinburg und Pinneberg bevorstehen.

Mit einer "Volksinitiative gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung" machen die Dithmarscher Bürger nun mobil gegen die Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Dieser war bis zu seiner Wahl bekennender Gegner einer Kreisreform.

Als Argument gegen die Gebietsreform wird von Landrat Jörn Klimant und der Bürgerinitiative angeführt, in dem künftigen Großkreis sei zu erwarten, daß finanzielle Mittel aus dem überwiegend landwirtschaftlich geprägten Marschland in die Metropolregionen abfließen. Zudem sind weite Wege zur Kreisverwaltung zurückzulegen, die einerseits die Bürgernähe der Verwaltung erheblich einschränken und andererseits das politische Ehrenamt erschweren.

Die Sinnigkeit der Großkreise konnte durch die Befürworter bis dato nicht plausibel, etwa durch eine belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnung belegt werden. Ohnehin bestehen zwischen Dithmarschen und den Nachbarkreisen bereits Kooperationen für die Aufgaben Abfallbeseitigung, Rettungswesen und den Betrieb der Krankenhäuser. Die Unausgegorenheit des Projekts wird auch daran deutlich, daß die Organisationsstrukturen in den neuen Kreisen bereits festgelegt werden, obwohl die Aufgabenverteilung noch völlig unklar ist.

Angesichts der historischen Entwicklung ihrer Heimat sehen die Dithmarscher der Gebietsreform jedoch mit einer gewissen Gelassenheit entgegen, denn es wäre nicht das erste Mal, daß sie ihre Selbständigkeit gegen einen vermeintlich stärkeren Gegner verteidigen müßten.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts entwickelte sich Dithmarschen zu einem Zusammenschluß eigenständiger Kirchenspiele. Nach der Aufzeichnung eines eigenen Landrechts gründete sich die Bauernrepublik Dithmarschen, die es zu einigem Wohlstand brachte. Nachdem einige Male erfolglos versucht wurde, die Dithmarscher zu unterwerfen, kam es im Jahr 1500 zur Schlacht bei Hemmingstedt, in der die Dithmarscher Bauern die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen des dänischen Königs Johann I. und seines Bruders Herzog Friedrich von Holstein vernichtend schlugen. Durch gezieltes Fluten des Marschlandes und bessere Ortskenntnis konnte das Bauernheer unter der Führung von Wulf Isebrand die berüchtigte "schwarze Garde" der Dänen vollständig besiegen. Mit diesem Triumph verteidigten die Dithmarscher jedoch nicht nur ihre Selbständigkeit, vielmehr gewannen sie durch den unglaublichen Sieg der Bauern über das hochgerüstete Dänenheer ein hohes Maß an Selbstbewußtsein und einen Zusammenhalt, der sich bis heute bewahrt hat. Noch immer wird die Schlacht bei Hemmingstedt als wichtigstes Ereignis in der Geschichte Dithmarschens gesehen.

Aus diesem Selbstverständnis heraus hat die Volksinitiative innerhalb von wenigen Wochen über 20.000 Unterschriften gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung gesammelt. Wenn man sich den Internetauftritt der Initiative (www.wir-sind-dithmarschen.de) ansieht, wird deutlich, daß es den Menschen der Region auch diesmal ernst ist, wenn sie dafür eintreten, daß nicht 1.000 Jahre Tradition für eine Regierung geopfert werden, die "schlimmstenfalls" vier Jahre im Amt bleibt. 


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