© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/06 01/07 22./29. Dezember 2006

Land und Meer - Elemente der Weltpolitik
von Carl Schmitt, aus dem Spanischen übersetzt und ediert von Günter Maschke

Der hier zum ersten Mal in deutscher Sprache vorgestellte Aufsatz Carl Schmitts erschien unter den Titel "Tierra y mar, elementos de política mundial" in den Cuadernos hispanoamericanos, Nr. 22, Juli-August 1951, Seite 9 bis 14. Der Text wurde bisher weder in der spanischen Schmitt-Literatur erörtert noch bibliographisch erfaßt. Dies ist erstaunlich, da sowohl die Madrider Zeitschrift als auch ihr Herausgeber, der mit Schmitt befreundete Medizinhistoriker und Essayist Pedro Laín Entralgo (1908-2001), außerordentlich bekannt waren.

Die Kenntnis des Aufsatzes verdanke ich meinem Freunde Prof. Dr. Jerónimo Molina Cano aus Murcia. Der Zusammenhang des Textes mit Schriften wie "Land und Meer" (1942), "Der Nomos der Erde" (1950) oder "Die Einheit der Welt" (1951/52) ist offenkundig; zugleich ist er ein Vorgriff auf das Camilo Barcia Trelles gewidmete Gespräch über den Neuen Raum (1955/58). Schmitt könnte den Text direkt auf spanisch geschrieben haben, wobei ihm möglicherweise seine Tochter Anima oder spanische Freunde halfen. Ein deutsches Manuskript scheint nicht zu existieren. Ich danke Prof. Dr. Jürgen Becker, München, für die freundlich erteilte Abdruckgenehmigung. G.M.

 

Zu Beginn des Sommers 1812 fiel Napoleon in Rußland ein. Zur gleichen Zeit schrieb Goethe, ein Bewunderer Napoleons, einen Hymnus auf dessen Gattin, die französische Kaiserin Marie Louise. Der große deutsche Dichter stand unter dem Eindruck der damaligen Ereignisse und sah in dem Krieg, den Napoleon gegen England und dessen Verbündete führte, einen Kampf der Elemente, eine Auseinandersetzung zwischen Land und Meer. Unter diesem Blickwinkel sagt er in seinem Hymnus: "Das Kleinliche ist alles weggeronnen, nur Meer und Erde haben hier Gewicht."[1]

In den Tagen des Atlantik-Paktes haben wir uns aufs neue dieser Verse zu erinnern. Heute, mehr noch als zu den Zeiten Napoleons, sind Meer und Land einander konfrontiert. Im Atlantik-Pakt stehen dem Raum des Atlantischen Ozeans die Landmassen des russisch-asiatischen Raumes gegenüber. Der Gegensatz zwischen Land und Meer zeigt sich hier mit der ganzen Simplizität der elementaren Kräfte. Nun ist die Universalgeschichte außerordentlich komplex, und demgemäß bauen sich ihre Fronten nach unterschiedlichen Motiven und Gesichtspunkten auf. Hier gibt es weder festgelegte Formen noch Schnittmuster. Die unterschiedlichsten Faktoren greifen in die Universalgeschichte ein: Religion und Kultur, wirtschaftliche Systeme, Staaten und Völker, Klassen und Rassen, große Persönlichkeiten und wechselnde Minderheiten. Die ungleichartigsten Gestaltungen und Ergebnisse kreuzen einander. Darum gibt es auch viele Arten und Weisen, Krieg zu führen: Religionskriege, Wirtschaftskriege, dynastische Kriege, Einigungs- und Sezessionskriege usw. Jedoch treten in allen großen Augenblicken der Geschichte die elementaren Gewalten von Land und Meer zutage und wir sind dem Konflikt dieser Elemente unterworfen. Immer dann, wenn die Universalgeschichte den Punkt der höchsten Spannung erreicht, erweisen sich die einander konfrontierenden Elemente, das Land und das Meer, als die ursprünglichen Kräfte des Geschehens.

Große Historiker haben die Universalgeschichte unter dem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Land und Meer geordnet. Der französische Admiral Castex veröffentlichte ein umfangreiches Werk mit dem Titel "La mer contre la terre".[2]

Doch Castex stand noch zu stark unter dem Eindruck der europäischen Geschichte der letzten drei Jahrhunderte, will heißen unter dem Eindruck der Tatsache, daß England, damals Herrin der Meere, seine Rivalen auf dem Kontinent - Spanien, Frankreich, Deutschland - nacheinander besiegt hatte. Der amerikanische Admiral Mahan betrachtete die Frage unter einem weiter gespannten, über Europa hinausreichenden Horizont. Für ihn verstand es sich, daß die Herrschaft über die Meere nur von einer Insel ausgeübt werden könne, daß aber England aufgrund der modernen Entwicklung dafür zu klein geworden war. Nunmehr waren es die Vereinigten Staaten von Amerika, die als die größte Insel unserer Zeit die alten Relationen zwischen Land und Meer aufrechtzuerhalten hatten, um der Erde einen angelsächsischen Frieden zu sichern.[3]

Noch wichtiger für uns ist die Lehre des großen englischen Geographen Mackinder, der das Land in seiner Gesamtheit als eine große Insel auffaßte und für den die ungeheuren Blöcke des asiatischen Kontinentes die Welt-Insel darstellten. Die Bevölkerung dieser großen Welt-Insel, die Massen des asiatischen Kontinentes, der sich nach Meinung dieses Autors bis zur Elbe erstreckt, überfluten in sukzessiven Wellen die Völker an den Küsten der Ozeane, welche die eigentlichen Träger der Zivilisation und des Weltfriedens sind.[4]

Ein hervorragender spanischer Völkerrechtler, Camilo Barcia Trelles, hat vor kurzem ein bedeutsames Werk über den Atlantik-Pakt veröffentlicht.[5]

Der Autor verweist auf die erstaunliche Tatsache, daß in diesem Falle Meer und Land im planetarischen Maßstabe einander konfrontiert sind, und nutzt diesen Sachverhalt, um zahlreiche Widersprüche der nordamerikanischen Politik aufzudecken, die weiterhin zwischen einer traditionellen Isolation und einem weltweiten Interventionismus hin und her schwankt.[6]

Bewußtsein vom großen Gegensatz der Elemente

Die Tradition der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich dokumentiert hat im Isolationismus der Monroe-Doktrin, ist im Grunde eine Anti-Tradition und bietet keine Vorstellung von der Welt, welche als Fundament einer konsequenten Weltpolitik dienen könnte. Das Buch von Barcia Trelles ist einer der gewichtigsten Beiträge zum großen Thema der Weltpolitik unserer Tage. Das Bewußtsein vom großen Gegensatz der Elemente verleiht diesem Werk seine dramatische Aktualität.

Bereits im Jahre 1912 veröffentlichte ein nordamerikanischer Schriftsteller, Homer Lea, ein Buch mit dem Titel "The Day of the Saxon", ein Buch voll erstaunlicher Prognosen, in dem zum Beispiel Pearl Harbor genau vorausgesehen wurde.[7]

Besonders festhaltenswert ist, daß das Problem des maritimen pazifischen Raumes nicht getrennt betrachtet werden darf vom Problem des maritimen atlantischen Raumes. Die Erde ist heute - so sagt Homer Lea - unendlich kleiner als der Turm von Babel.[8]

Damals, 1912, als diese Sätze geschrieben wurden, reduzierte sich die Universalgeschichte auf die Gegenüberstellung der Elemente und auf die einfache Antithese von Land und Meer. Damals existierte weder das moderne Flugwesen, noch gab es die modernen Zerstörungsmittel wie die Atombombe, die Wasserstoffbombe und andere Waffen, welche die moderne Naturwissenschaft den irdischen Machthabern aushändigte. Bis zum Ersten Weltkrieg kam den beiden neuen Elementen, der Luft und dem Feuer, keine weltpolitische Aktualität zu. Heute greifen sie auf unterschiedlichste Weise in den Krieg ein; dies nicht nur als zwei neue Dimensionen, die zu den beiden hergebrachten Modi, den Krieg zu führen, hinzutreten. Vielmehr bewirken sie eine vollständige Umwandlung des Krieges, durch welche die bis heute gültige Unterscheidung von See- und Landkrieg problematisch geworden ist. Auf dieser Unterscheidung beruhte bis jetzt das Völkerrecht. Bis heute, das heißt bis zu den beiden letzten Weltkriegen, ließen sich Landkrieg und Seekrieg nach ihren unterschiedlichen Kriegsschauplätzen unterscheiden. Man besaß die Vorstellung von einem Geschehen, das ohne Zweideutigkeiten war, und deshalb konnte man von einem Kriegsschauplatz sprechen, von einem "Kriegstheater", das sich vor jedwedem Zuschauer wie auf einer Bühne entwickelte.[9]

Seekrieg und Landkrieg waren klar zu unterscheiden. Jede dieser beiden Methoden der Kriegführung verfügte über ihre eigenen Begriffe, sei es den des Kriegstheaters, den des Feindes und den der Beute. Doch der moderne Luftkrieg besitzt weder einen eigenen Raum noch verfügt er, genau gesehen, über einen Schauplatz. Es ist nicht so, daß alles, was vordem im Seekrieg und im Landkrieg geschah, sich lediglich wiederholt, nur simplerweise in einer dritten Dimension, in der Luft.[10]

Der Mensch vermag es nicht, die Barriere zu überspringen

Vielmehr fehlt dem Luftkrieg recht eigentlich der Gedanke eines Szenariums und eines Zuschauers. Ein Zuschauer des Luftkrieges ist nicht vorstellbar, denn ein Beobachter, den Kopf angestrengt im Nacken, vom Boden des Landes aus oder von der Oberfläche der See nach oben schauend, während die Luftwaffe ihre monströsen Aktionen von oben nach unten ausübt, läßt sich nicht wirklich Zuschauer nennen. Man kann jetzt nicht mehr von einem Schauplatz oder einem Theater des Krieges sprechen. Der Luftkrieg ist reiner Vernichtungskrieg, und der Krieg mit modernen technischen Mitteln ist es noch mehr. Heute scheint es, daß sich die vier Elemente - Feuer, Wasser, Luft und Erde - zu einer explosiven Mischung verbunden haben.[11]

Gegenüber dieser furchterregenden "Elementarität" des modernen Vernichtungskrieges sind zwei unterschiedliche Haltungen möglich. Gemäß einer optimistischen Konzeption der modernen Technik schreitet die technische Entwicklung ohne Unterlaß fort, erweitert sich die Macht des Menschen über die Natur und die Elemente ständig. Die Erde, nunmehr sehr klein geworden, tut ein übriges: Ihre Einheit und ihr Frieden werden zu einem Problem, welches die moderne Technik mit Leichtigkeit lösen wird. Die Entgegengesetztheit von Land und Meer ist überwunden und damit auch die der Elemente. Viele Menschen glauben heute, daß es möglich sei, das Land und das Meer von der Luft aus zu beherrschen. Die Luft - so hat man gesagt - habe das Land und das Meer verschlungen. Für diese Auffassung der Welt bedeutet das Land weiter nichts als der natürliche Erdboden, auf dem der Mensch sich bewegt und auf dem er Wohnung und Nahrung findet. Unser Planet verwandelt sich in ein reines Aerodrom für die Luftnavigation oder schlichtweg in eine Mine, die Uran und andere Materialien enthält, welche die moderne Kriegsindustrie benötigt. Auf diesem Felde finden sich heute phantastische Elukubrationen. Der Mensch, unter biologischem Aspekt eine extrem schwache Kreatur, hat mit Unterstützung der Technik eine neue Welt geschaffen, in der er das stärkste Sein ist, ja, sogar das einzige. Vielleicht entdeckt dieser Mensch von seinem alten Planeten aus neuen Welten, von denen noch keine etwas offenbart hat - auf die gleiche Weise wie Christoph Columbus, der eine neue Welt entdeckte, als er das alte Indien suchte.

Die andere mögliche Haltung stützt sich auf die Vorstellung von der Begrenztheit der menschlichen Macht und der menschlichen Technik. Aus der monströsen Zunahme der modernen Technik läßt sich in gar keiner Weise der Schluß ziehen, daß die Natur und die Elemente nicht mehr wichtig seien. Der Mensch vermag es nicht, die Barriere seiner physischen, seelischen und geistigen Beschaffenheit zu überspringen, dies wäre phantastisch und utopisch. Der Mensch bleibt, was die Bibel von ihm sagt: ein Sohn der Erde. Er bleibt seinem von der Natur gegebenen Boden verhaftet, das heißt auch, seinem Gefängnis aus Lehm, das ein Teil der alten Elemente ist. Auch gegenüber den Zerstörungsmitteln der modernen Naturwissenschaft erhalten sich die alten Elemente und gewinnen neue Möglichkeiten. Sie werden sich stets erneuernde Kräfte finden, mittels derer sie sich am Menschen rächen, glaubt dieser, die Grenzen seiner eigenen Natur durch technische Mittel überwinden zu können. Die einander widersprechenden Antworten, die heute auf die Frage nach der Einheit der Welt gegeben werden, beruhen auf dem Gegensatz dieser unterschiedlichen Haltung zum Problem der Technik.

 

[1] Schmitt bezieht sich auch hier, wie relativ häufig in seinen Schriften ab 1950, auf Goethes Gedicht vom Juli 1812 "Ihro der Kaiserin von Frankreich Majestät", auch bekannt unter dem Titel "Im Namen der Bürgerschaft von Carlsbad". Zu Napoleon-England: H. Conrad, Napoleons Englandkampf, Stuttgart 1942 (Äußerungen Napoleons); Otto Westphal, Weltgeschichte der Neuzeit 1750-1950, Stuttgart 1953, ("Meer und Erde." Napoleon); Roman Schnur, "Land und Meer. Napoleon gegen England" (1961), in: Ders., "Revolution und Weltbürgerkrieg. Studien zur Ouverture nach 1789" (Berlin 1983).

[2] Raoul Castex, 1878-1968; sein Hauptwerk sind die "Théories stratégiques", 5 Bände (Paris 1929-1935), "Société d´Éditions Géographiques, Maritimes et Coloniales"; spanisch "Teorías Estrategicas", 6 Bände (Buenos Aires 1938-1942), Escuela de Guerra naval. Der fünfte Band der Originaledition "La mer contre la terre", beeinflußte Schmitts Denken über Land und Meer stark. Castex neigte dazu, den Gegensatz Land/Meer abzuschwächen; Grund dafür war das Zusammenwirken von Land- und Seestreitkräften mit der Luftwaffe in der "amphibischen Zone", also die Entwicklung unter modernen Bedingungen. Zu Castex:
Hervé Coutau-Bégarie "Castex. Le stratège inconnu" (Paris 1985); Ders., "La puissance maritime. Castex et la stratégie navale" (Paris 1985), Fayard, dort eine Darstellung der "dialectique castexienne de la terre et de la mer". Inzwischen sind Castex' "Théories stratégiques" neu aufgelegt worden, hrsg. v. H. Coutau-Bégarie, in 7 Bänden, "Economica" (Paris 1997); die Bände VI u. VII enthalten zusätzliche Materialien.

[3] Alfred Thayer Mahan, 1840-1914; er schrieb u.a.: "The influence of sea power upon history, 1660-1783" (Boston 1890); "The influence of sea power upon French Revolution and Empire" (Boston 1892), beide Werke deutsch unter dem Titel "Der Einfluß der Seemacht auf die Geschichte, 1660-1812", 2 Bände (1910; Nachdruck Herford 1967); "The problem of Asia" (Boston 1900). Mahan forderte ein Bündnis der Seemächte Vereinigte Staaten von Amerika /England, auch um die Bildung eines deutsch-russisch-ostasiatischen Blocks zu verhindern; vgl. von ihm: "Possibilities of an Anglo-American Reunion" (1894), in: "The interest of America in sea power. Present and future" (Boston 1898), deutsch in: Mahan, "Die weiße Rasse und die Seeherrschaft" (Wien/Leipzig 1909). Aus der sehr umfangreichen Literatur: W.D. Puleston "Mahan. The life and work of Captain Alfred Thayer Mahan" (New Heaven, Conn. 1939); M. Hanke, "Das Werk Alfred T. Mahans. Darstellung und Analyse" (Osnabrück 1973); R.W.Turk, "The ambiguous relationship. Theodore Roosevelt and Alfred Thayer Mahan" (New York 1987).

[4] Halford J. Mackinder, 1861-1947, Geograph an der Universität Oxford und zeitweilig Direktor der London School of Economics, trug am 25. Januar 1904 vor der Royal Geographical Society seine Thesen unter dem Titel "The geographical pivot of history"über den "geographischen Drehpunkt der Geschichte" vor, The Geographical Journal (April 1904), deutsch in: J. Matznetter, Hrsg., "Politische Geographie" (Darmstadt 1977). Die pivot area, in etwa mit Rußland einschließlich Zentralsibiriens deckungsgleich, wird von inner crescent umgeben, in dem Deutschland die stärkste Macht darstellt. Gelingt es Rußland, an die Küste vorzustoßen, eine Flotte aufzubauen und sich mit Deutschland zu verbünden, würde es die bisher zu seinen Ungunsten wirkende balance of power umstoßen und die Welthegemonie gewinnen. Mackinder taufte diese pivot area später um in heartland area und wies in seinem Buch "Democratic Ideals and Reality" (London/New York 1919), mehrere Nachdrucke, unter anderem Westport 1981, darauf hin, wie nahe Deutschland daran gewesen sei, das "Herzland" zu kontrollieren; künftig müsse eine Barriere zwischen Deutschland und Rußland aufgerichtet werden, um ihr Bündnis zu vereiteln. Mackinders Credo lautete: "Who rules in Eastern Europe commands the Heartland, who rules the Heartland commands the World Island, who rules the World Island commands the world." Viele Überlegungen Mackinders gewannen angesichts der englisch-russischen Rivalität in Asien, der englisch-deutschen Konflikte und der absehbaren Schwäche der englischen Flotte gegenüber großen Landmächten mit gut ausgebauten Eisenbahnen einige Plausibilität, vergleiche etwa Paul M. Kennedy "The Rise and Fall of British Naval Mastery" von 1976, deutsche Ausgabe: "Aufstieg und Verfall der britischen Seemacht" (Herford 1978), dort "Mahan gegen Mackinder"; Schmitt empfahl dieses Buch stets sehr lebhaft. Die von Mackinder befürchtete Mobilisierung des "Herzlandes" gegen die Seemächte wurde von der deutschen Geopolitik, nicht zuletzt von deren Begründer Karl Haushofer (1869-1946) befürwortet: Mittels des "Kontinentalbblockes" sollte die Vorherrschaft der angelsächsischen Seemächte gebrochen werden; dieser Block sollte Japan mit einschließen, vergleiche Haushofer "Der Kontinentalblock. Mitteleuropa-Eurasien-Japan" (München 1941) Nachdruck in: H.A. Jacobsen, Hrsg., "Karl Haushofer. Leben und Werk" (Boppard am Rhein 1979); zum Verhältnis der Theorien Mackinders und Mahans vergleiche auch: J. Gottmann, "La politique des États et leur géographie" (Paris 1952); M. Korinman "Quand l´Allemagne pensait le monde. Grandeur et décadence d´une géopolitique" (Paris 1990). Mackinders Ideen wurden also von der deutschen Geopolitik gewendet, möglicherweise war er selbst jedoch von dem Breslauer Geographen Joseph Partsch "Central Europe" (London 1913) beeinflußt. Über Mackinder u.a.: L. Garcia Arias "Mackinder y el 'Heartland', Geopolítica y Geostrategia", zuerst 1965, in: Derselbe, "Estudios sobre relaciones internacionales y derecho de gentes" (Madrid 1971); W.H. Parker "Mackinder" (Oxford 1982), dort eine Darstellung der Kritik an Mackinder.

[5] Camilo Barcia Trelles, 1888-1977; die Werke dieses Völkerrechtlers, oft in eine Theorie der internationalen Beziehungen mündend und stets geopolitisch unterbaut, zeichnen sich durch sehr ausgeprägte Parallelen zu den Gedankengängen Schmitts aus und nehmen öfters auf ihn Bezug. Schmitt meint hier von Trelles: "El pacto del Atlantico: la tierra y el mar, frente a frente" (Madrid 1950) vergleiche Derselbe: "El problema de la unidad del munod posbélico" (Sao Paulo 1953) und "El problema de la alteración del equilibrio en el mundo posbélico" (ebd. 1955). Schmitt widmete Trelles, mit dem er sehr freundschaftliche Beziehungen pflegte, sein "Gespräch über den Neuen Raum", zuerst publiziert in: "Estudios de Derecho Internacional, Homenaje al Profesor Barcia Trelles" (Universidad Santiago de Compostela 1958), später unter anderem in: Schmitt "Staat, Großraum, Nomos", hrsg. von Günter Maschke (Berlin 1995). Zum Nord-Atlantik-Pakt bemerkt Vizeadmiral a. D. Friedrich Ruge, "Seemacht und Sicherheit", 3. Aufl. (Frankfurt a. M. 1968): "Die Nato (...) ist das erste Bündnis in der Geschichte, das sich als Mittelpunkt ein Weltmeer gewählt hat."

[6] Zur Entwicklung der Vereinigten Staaten vom "Isolationismus" zum Pan-Interventionismus vergleiche Camilo Barcia Trelles: "Origen, evolucion y destino del aislacionismo norteamericano. (Del monroismo a la cosmocracia)" (zuerst 1947 in "Estudios de política internacional y derecho de gentes", Madrid 1948), sowie "U.S. A.: del aislacionismo al globalismo", Festschrift von der Heydte, I (Berlin 1977), vergleiche auch Schmitt "Beschleuniger wider Willen oder: Problematik der westlichen Hemisphäre" (1942), in: "Staat, Großraum, Nomos" (Berlin 1995). Schmitt betont das damalige Hin- und Herschwanken zwischen beiden Haltungen.

[7] Homer Lea, 1876-1913; Militärberater von Sun Yat Sen. In "The Day of the Saxon" (New York/London 1912), deutsche Ausgaben: "Des Britischen Reiches Schicksalsstunde" (Berlin 1913); später: "Vergessene weltpolitische Einsichten" (Bern 1946) äußert sich Lea nicht über Pearl Harbor; einen möglichen Angriff auf diesen Hafen prognostizierte er aber in "The Valor of ignorance" (1909).

[8] "It (the world) ist now a hundred cubits less in size than the Tower of Babel" ("The Day of the Saxon"). Zu diesem Satz bemerkt Schmitt am 17. Juni 1949 in seinem Glossarium (Berlin 1991): "The Saxons Day, 1912. Großartiger Satz: die Welt ist heute kleiner als der Turm von Babel; 1912 gesagt, lange vor Flugzeug und Radio! Homer Lea, ein Sturmvogel der Raumrevolution. Die Erde ist kleiner als der Turmbau von Babel; und die Sprachverwirrung in dieser Enge wirkt um so tödlicher. Amerika + Rußland; Kolonialkrieg + Bürgerkrieg. Das ist die Wirklichkeit der Wiedereinführung des gerechten Krieges."

[9] Im Original: "théâtre de la guerre". Zu dem Begriff "Kriegstheater" vergleiche: Erik Grawert-May "Das Drama Krieg. Zur Moralisierung des Politischen" (Tübingen 1987). Zum Thema Kriegsschauplatz vergleiche die bei Carl Schmitt angefertigte Dissertation von Ferdinand Friedensburg jun.: "Der Kriegsschauplatz, insbesondere als Ausdruck rechtlicher Raumauffassung" (Berlin 1944) und Schmitt: "Der Nomos der Erde" (Köln 1950).

[10] Schmitt bezieht sich hier wohl auf die Verlegenheit des Völkerrechtes während der Anfänge der Luftwaffe: Man versuchte, den Luftkrieg in Analogie zum Land- und Seekrieg zu denken, was spätestens mit dem Kampf von Flugzeug gegen Flugzeug oder mit selbständigen Luftangriffen, sei es auf Erdziele im feindlichen Hinterland, sei es auf Seeziele auf hoher See, irreführend wäre. Analogien ergeben sich jedoch, wenn das Flugzeug Instrument der Erdtruppe ist oder das Schiff als Startbahn dient (Flugzeugträger), ebenso beim Zusammenwirken von Land-, See- und Luftstreitkräften, vergleiche F. A. v. d. Heydte: "Luftkriegsrecht", in H.J. Schlochauer, Hrsg.: "Wörterbuch des Völkerrechts, II" (Berlin 1961).

[11] Zu diesem Zusammenspiel vergleiche das letzte Kapitel von Schmitts "Land und Meer" (erstmals 1942).

 

Günter Maschke, Jahrgang 1943, lebt als Schriftsteller und Privatgelehrter in Frankfurt am Main. Er gilt als einer der profundesten Kenner und Interpreten des Werkes des Völkerrechtlers Carl Schmitt

Foto: Die Zwölf Apostel an der westaustralischen Küste: Die Erde ist heute unendlich kleiner als der Turm von Babel


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