© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Fern der Realität
von Paul Rosen

Dunkle Wolken über den bayerischen Bergen: Erstmals muckt die Basis gegen Edmund Stoiber auf. Teile des Fußvolkes sind den Bayern-Herrscher leid. Der Unmut hat Gründe: Viele CSU-Mitglieder haben nicht verstanden, warum Edmund Stoiber sich vor gut einem Jahr wieder aus Berlin zurückzog und in München blieb. Außerdem hat der CSU-Chef mit 65 Jahren ein Alter erreicht, wo andere an den Ruhestand denken. Stoiber selbst sprach vor kurzem von der "letzten Etappe".

Die kann zwar lang sein, aber zu den Begleiterscheinungen gehört auch, daß Kritiker wie die "schöne Landrätin" Gabriele Pauli mit Rücktrittsforderungen bundesweite Aufmerksamkeit erzielen. Pauli formuliert eine Grundstimmung in der Partei. Die Reaktion des CSU-Systems auf die Kampagne der Landrätin zeigt einen gewissen Byzantinismus. Ein Stoiber-Mitarbeiter versuchte das Privatleben der Politikerin auszuforschen. Solche Verhaltensweisen sind typisch für einen Machtapparat, der sich von den Realitäten abgesetzt hat und Intrigen und Spitzelei als Instrumente einsetzt. Insgesamt ist die "Spitzel-Affäre" ein sicheres Indiz, daß die Ära Stoiber, so erfolgreich sie für Bayern und die CSU sein mag, langsam, aber sicher zu Ende geht.

Doch kurzfristig dürfte Stoiber kaum in den Ruhestand zu schicken sein. Es mangelt an geeigneten Nachfolgern. Die von Pauli geforderte Urwahl ist so lange unsinnig, wie nur der Name Stoiber auf dem Abstimmungszettel stehen würde. Somit dürfte die CSU auch 2008 wieder mit Stoiber an der Spitze in die Landtagswahl ziehen.


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