© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Kolumne
Merkel-Dämmerung
Rolf Stolz

Ob jedem Anfang, wie Hermann Hesse postulierte, ein Zauber innewohnt, wird bezweifeln, wer aus grauen Dezembertagen in einen grauen Jahresbeginn stolpert. Von Zauberern jedenfalls ist weit und breit in der deutschen Politik nichts zu sehen. Zauderer ja, die treten massenhaft auf, und mit ihnen fixe Zauberlehrlinge, die ihren Spruch nicht mehr wissen, nicht mehr als nichts gelernt und begriffen haben und rundum Chaos verbreiten.

Die Copperfield-Imitatoren sorgen für reichlich faulen Zauber: Das Wahlvolk wird mit erhöhter Märchensteuer zur Ader gelassen, darf für immer weniger Rente immer mehr einzahlen in die staatliche Abenteuerlotterie, das Gesundheitsreförmchen macht das sterbenskranke System der medizinischen Versorgung erstens nicht gesund und zweitens die reicher, die vom Elend anderer profitieren. Ulla Schmidt, die einst hinter der Bartheke ihr Volontariat in Sachen Stimmungsaufhellung absolvierte, kann weiterhin nur eins: dem Publikum einschenken und es besoffen reden. Über solchen Frontfrauen und Vormännern schweben als unheilige Dreifaltigkeit eine Kanzlerin, ein Oberfunktionär und ein handwerkelnder Parteichef. Die Kanzlerin, die so formvollendet Handküsse entgegennimmt und so genial hinter den Kulissen Strippen entwirrt, hat keinerlei Ideen und Visionen, aber dafür um so mehr Spruchweisheiten aus der Mottenkiste parat. Der Unbegeisterungsfaktor ihrer Reden übertrifft den ihres Ziehvaters Helmut K. - auch bei ihren Radioansprachen weiß man nie, ob Original oder Persiflator sprechen. Flankiert wird sie von ihren Notgedrungen-Getreuen Franz und Kurt. Beide würden an anderer Stelle vortreffliche Arbeit leisten - der eine etwa als Schatzmeister der SPD Arnsberg-Süd, der andere als Handwerker oder als Billig-Maxe an der Reste-Rampe. Das ist das Spitzenpersonal des Exportweltmeisters, der größten Mittelmacht in der Mitte Europas. Ginge es hier um den Vorstand einer Deutschland-AG - die Aktionäre würden Reißaus nehmen und der Kurs befände sich auf rasender Talfahrt.

Nun, auch eine Regierung ist irgendwann pleite, wenn sie derartig energisch in die Katastrophe steuert. Alle Berater, Hofnarren, Teilhaber können dann nichts mehr retten. Es bleibt nur eins: gegen die große Koalition der Impotenten mit den Unwilligen von außen her eine politische Alternative aufbauen - eine neue Kraft für einen Neuanfang jenseits der alten Parteien, Selbstverständnisse und Lagergrenzen. Das ist unsere einzige Hoffnung.

 

Rolf Stolz war Mitbegründer der Grünen und lebt als Publizist in Köln.


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