© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Der Nahe Osten bleibt Konfliktregion
Außenpolitik: In diesem Jahr stehen wichtige Weichenstellungen an / Atomkonflikt mit Iran und Nordkorea
Alexander Griesbach

Aus deutscher Sicht ist der Jahresbeginn gleich mit zwei wichtigen Ereignissen verbunden: Deutschland übernimmt bis zum 30. Juni die EU-Ratspräsidentschaft und bis zum 31. Dezember 2007 die Präsidentschaft der G8-Gruppe. Einer der Eckpunkte in der Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft dürfte die "Berliner Erklärung" über die Werte und Aufgaben der EU werden. Die Bundesregierung will überdies den EU-Verfassungsprozeß vorantreiben und eine "neue Dynamik im europäischen Einigungsprozeß" entfachen.

Die G8-Präsidentschaft in der "Gruppe der Acht" ist deshalb von Bedeutung, weil in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Rußland und den USA zwar nur etwa 14 Prozent der Weltbevölkerung leben, dort aber zwei Drittel der globalen Wirtschaftsleistung erbracht werden. Auch wenn die G8-Treffen eher informeller Natur sind, hat sich doch eine ständige Kooperation zwischen diesen Staaten entwickelt.

In zwei G8-Ländern stehen 2007 wichtige Weichenstellungen bevor. In Großbritannien soll im Herbst die Ära Tony Blairs zu Ende gehen, der seit 1997 das Amt des Premierministers innehat. Designierter Nachfolger ist Finanzminister Gordon Brown. Auf die Habenseite seiner Amtszeit kann Blair unter anderem die Unterzeichnung des "Karfreitagsabkommens", mit dem der leidige Nordirland-Konflikt entschärft werden konnte, sowie einige bedeutsame Verfassungsreformen verbuchen. Seine verschiedenen Sozialreformprogramme weisen hingegen eine eher durchwachsene Bilanz auf. Außenpolitisch blieb Blair im Schatten der US-Präsidenten Clinton und Bush. Der Labour-Chef profilierte sich vor allem als kompromißloser Parteigänger der USA. Insbesondere seine kritiklose Unterstützung des Irak-Abenteuers führte dazu, daß er auch innenpolitisch massiv unter Druck geriet.

Frankreich dürfte in der ersten Jahreshälfte ganz im Bann der Präsidentschaftswahlen stehen, deren erster Wahlgang am 22. April und deren Stichwahl am 6. Mai stattfinden wird. Die Auseinandersetzung fokussiert sich derzeit auf die Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten (PS), Ségolène Royal, und den Parteichef der UMP, Nicolas Sarkozy. Royal hat in den vergangenen Monaten bewiesen, daß sie die Klaviatur der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit meisterhaft zu bedienen weiß (JF 48/06). Ihren Beratern und ihr ist es gelungen, hinsichtlich der Medienpräsenz mit Sarkozy gleichzuziehen. Ihr Nachteil ist, daß viele Franzosen immer noch nicht wissen, wofür Royal eigentlich genau steht.

Richtungsentscheidung für die Außenpolitik Frankreichs

Sarkozy hingegen muß erst noch ein überzeugendes Votum seiner Partei erkämpfen. Am 14. Januar stimmt die UMP auf einem Parteitag über ihren Präsidentschaftskandidaten ab. Für Sarkozy geht es dann darum, seine innerparteilichen Konkurrenten, allen voran die Chirac-Favoritin Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie, auszuschalten. Auch daß Staatspräsident Jacques Chirac selbst noch einmal kandidiert, ist nicht völlig ausgeschlossen.

Sollte es zwischen Sarkozy und Royal zu einer Stichwahl kommen, dürfte diese äußerst knapp ausgehen. Ein Sieg Sarkozys könnte auch eine außenpolitische Neuorientierung Richtung Washington bedeuten - mit bislang unabsehbaren Folgen. Schafft es allerdings Jean-Marie Le Pen, ausreichend Unterschriften für seine Kandidatur zu bekommen, dürfte das Rennen wieder offen sein - 2002 schaffte er es überraschend in die Stichwahl.

Der Irak, der Nahe Osten und Afghanistan dürften auch 2007 international die größten Konfliktherde bleiben. In den Palästinensergebieten ist ein blutiger Konflikt zwischen Fatah- und Hamas-Anhängern entbrannt, von dem nicht absehbar ist, wann er beendet sein wird. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas will einen Dialog mit Israel, den die Hamas entschieden ablehnt. Abbas' Plädoyer für Neuwahlen wertet die Hamas als "Staatsstreich" (JF 52/06). Die EU präferiert die von Abbas vorgeschlagene Regierung der nationalen Einheit; im Falle eines Zustandekommens einer derartigen Regierung kündigte die EU die Wiederaufnahmen von Finanzhilfen an.

Krisenhaft ist auch die Situation im Libanon, wo sich die Hisbollah anschickt, die Regierung Siniora zu destabilisieren. Derzeit fokussiert sich international alles auf Syrien, das einmal für die Unruhen im Libanon mitverantwortlich gemacht wird, zum anderen aber auch als Vermittler im Konflikt um das iranische Atomwaffenprogramm eine Schlüsselrolle spielen soll. Im Hinblick auf die chaotische Lage im Irak warnte der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates jüngst vor einem "Fehlschlag"; ein "Scheitern" könne sich die USA nicht erlauben. Das sind Töne, wie sie wohl zuletzt im Vietnamkrieg zu hören waren. Freilich deutet nichts darauf hin, daß sich die Lage im Irak 2007 in irgendeiner Weise entspannen könnte. Eher ist das Gegenteil der Fall. Die Sicherheitslage wird von Tag zu Tag dramatischer. Daß Gates diese Entwicklung stoppen kann, erscheint kaum wahrscheinlich.

Das dürfte auch die Bereitschaft der USA, gegen die Atompläne des Iran mit Waffengewalt vorzugehen, deutlich reduzieren. Eher wäre mit einem Alleingang Israels zu rechnen, den der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh in einem Focus-Interview vor Weihnachten nicht ausschließen wollte.

Von Bedeutung ist auch der Wechsel, der sich am 1. Januar an der Spitze der Uno vollziehen wird. Der südkoreanische Politiker Ban Ki-moon wird den Afrikaner Kofi Annan als UN-Generalsekretär ablösen, was mehr als nur eine Personalie ist. Auch jenseits der Atomgespräche mit Nordkorea oder des Machtvakuums im erdgasreichen Turkmenistan dürfte sich der Fokus weiter Richtung Asien verlagern.


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