© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Jede Kugel war seine letzte
Der Stoff, aus dem die Träume sind: Zum 50. Todestag Humphrey Bogarts
Martin Lichtmesz

Humphrey Bogart war ein moderner Held", schrieb François Truffaut 1958. "Die historischen und Piratenfilme der Epoche paßten nicht zu ihm. Er war der Mann des Revolvers, in dem nur noch eine Kugel ist, der Mann des Filzhuts, der Mann des Mikrofons: 'Hallo! Hallo! An alle Wagen ...'."

Die Leinwand-Persona des Humphrey DeForest Bogart ist eine der großen ikonischen Gestalten der Popkultur des 20. Jahrhunderts. Er verkörperte den urbanen Helden im Trenchcoat und Schlapphut, dessen bevorzugte Accessoires Tabak, Alkohol, Pistolen und eine Frau im Arm sind. Seine rauhe Schale verbarg ein gehöriges Maß an Sentimentalität und Romantik: kein strahlender Märchenprinz, sondern ein desillusionierter, trinkfester Einzelgänger mit zerknautschtem Gesicht, der sich in einer Welt voller Korruption, Gewalt und Verbrechen behaupten muß.

Gottfried Helnwein hat in seiner berühmten Edward-Hopper-Persiflage "Boulevard Of Broken Dreams" das dazugehörige Andachtsbild geschaffen: Bogart und drei weitere Hollywood-Legenden, James Dean, Marilyn Monroe und Elvis Presley, geben sich im säkularen Olymp eines nächtlichen "Diner" ein Stelldichein - beautiful losers, früh verstorbene Stars, deren Glamour Tragik und Verfall überschatten.

Bogarts unverwechselbares "Image" war das Ergebnis harter, geduldiger, bewußter Arbeit. Der 1899 in New York geborene Schauspieler war über vierzig, als er nach langen Jahren in der zweiten bis dritten Garnitur zu "Bogey" wurde. Zwischen 1921 und 1935 trat er in 21 Broadway-Produktionen auf. 1930 gab er sein Leinwanddebüt.

Seine erste größere Filmrolle, bezeichnenderweise einen Gangster, spielte er an der Seite von Bette Davis in "The Petrified Forest" (Der versteinerte Wald, 1935). Bogart verbrachte fast eine ganze Dekade als Nebendarsteller in Gangsterfilmen der Warner Brothers, in deren letztem Drittel er gewöhnlich von Edward G. Robinson, James Cagney oder der Polizei erschossen wurde.

Die Wende kam 1940/41 mit zwei Streifen, die ihn endgültig aus dem Nebendarsteller-Eck herausholten: Raoul Walshs "High Sierra" (Entscheidung in der Sierra, 1940) und John Hustons Regiedebüt "The Maltese Falcon" (Die Spur des Falken, 1941). Hustons Da-shiell-Hammett-Verfilmung wurde zum Prototyp des "Film noir".

Bogart prägte einen Trivialmythos, der zum unverzichtbaren Topos des Kinos geworden ist: den einsamen, abgebrühten Privatdetektiv im nachtschwarzen Asphaltdschungel, eine Figur, der er schließlich als Raymond Chandlers Philip Marlowe in "The Big Sleep" (Tote schlafen fest, 1946) ihre definitive Fassung gab.

Das Herzstück des Bogart-Kultes entstand 1943 unter der Regie von Michael Curtiz: "Casablanca". Der Café-Besitzer Rick, ein rauhbeiniger Romantiker und verkappter Idealist, der nur vordergründig "für niemanden den Kragen hinhält" und schließlich auf seine große Liebe Ingrid Bergman verzichtet, wurde zur klassischen, ultimativen Bogart-Rolle.

Bei den Dreharbeiten zu "To Have and Have Not" (Haben und Nichthaben, 1944) lernte er die erst 20jährige Lauren Bacall kennen, die er im Jahr darauf heiratete. Bogart und Bacall wurden zu einem der legendären Traumpaare des Kinos. Es war seine vierte Ehe, die bis an sein Lebensende dauern sollte.

Bogart stand nun am Zenit seines Ruhmes: Bis 1949 hielt er sich kontinuierlich unter den Top Ten der Spitzenverdiener Hollywoods. 1947 machte der liberale Nonkonformist durch sein öffentliches Eintreten gegen Joseph McCarthys Kommunistenjagd Schlagzeilen. 1951 erhielt er den Oscar für die beste männliche Hauptrolle in Hustons "African Queen" (1950). Filme wie Nicholas Rays "In A Lonely Place" (1950), Joseph Mankiewicz' "The Barefoot Contessa" (Die barfüßige Gräfin, 1954) oder Edward Dmytryks "The Caine Mutiny" (Die Caine war ihr Schicksal, 1954) zeigten Bogart in anspruchsvollen Charakterrollen.

In seinem letzten Film, Mark Robsons "The Harder They Fall" (Schmutziger Lorbeer, 1956), gab er noch einmal den scheiternden Noir-Helden. Er starb am 14. Januar 1957 an Kehlkopfkrebs. Nach seinem Tod wurde Bogart endgültig zur Kultfigur, das selbstreflexive Spiel mit dem Klischee Bestandteil einer eigenen Kino-Ikonographie, von Jean-Luc Godards "Au bout du souffle" (Außer Atem, 1959) bis zu Woody Allens "Play It Again, Sam" (Mach's nochmal, Sam, 1971) und Carl Reiners "Dead Men Don't Wear Plaid" (Tote tragen keine Karos, 1981). Bogart wurde zum Inbegriff eines vergangenen, "besseren" Hollywood und zum Symbol einer Ära, in der maskuline Leitfiguren noch ohne ironische Brechung auskamen. 1999 wählte das American Film Institute Bogart zum "größten männlichen Star aller Zeiten".

"Dies ist der Stoff, aus dem die Träume sind", zitierte er einst Shakespeare im "Malteser Falken". Träume, made in USA: "Die Amerikaner haben unser Unterbewußtsein kolonialisiert", erkannte Wim Wenders in den siebziger Jahren. Dort lebt auch Bogart fort, neben John Wayne, Mickey Mouse und Coca Cola.


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