© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Eine riesige Herausforderung
China und Indien
Peter Lebitsch

Indien charakterisieren enorme Gegensätze. Computer und löcherige Straßen, Reichtum und Hunger prägen einen Subkontinent mit 1,1 Milliarden Menschen. Jahrtausende alte Kasten gliedern die Sozialstruktur. Hindus und Moslems leben getrennt voneinander. Lange bevorzugte Indien das Modell der Staatswirtschaft. Seit 1991 regiert der Markt und beschert Wachstumsraten von jährlich sechs bis acht Prozent. Allein 2005 kauften indische Magnaten dreißig deutsche Firmen.

Noch herrschen disparate Verhältnisse. Der traditionell starke Dienstleistungssektor erwirtschaftet 52,4 Prozent des Brutto-Inlandprodukts. Als exzellent gelten auch Software-Betriebe, Pharmakonzerne und Medizintechnik. Jedoch arbeiten in der IT-Branche nur 0,25 Prozent der Erwerbstätigen. Doch die mangelhaft entwickelte Infrastruktur wie das desolate Verkehrsnetz oder die Stromversorgung bremsen den industriellen Fortschritt ebenso wie eine korrupte Bürokratie.

China übertrifft Indien deutlich. Das Reich der Mitte erzeugt acht Prozent der weltweit hergestellten Güter, Indien knapp ein Prozent. Binnen einer Generation verachtfachte China sein Pro-Kopf-Einkommen. Der Wirtschaftsjurist Karl Pilny betont in seiner Analyse beider Staaten das hohe Niveau der Investitionen, die jährlich bei etwa sechzig Milliarden Dollar liegen. Dank chinesischer Sparsamkeit blüht der Kapitalmarkt. Stärker falle die konfuzianische Arbeits- und Leistungsethik ins Gewicht. Ab 1979 fielen ökonomische Barrieren für den steigenden Export Chinas. Da manche Branchen zu "hitzig" wuchern, muß Peking das jährliche zehnprozentige Wachstum sogar drosseln. Ungerecht sind die Einkommen verteilt, zu schweigen von gefährlichen Naturschäden. Der wirtschaftlichen Liberalisierung folgt keine politische. Inzwischen "vergreist" auch China infolge der massiven "Ein-Kind-Propaganda". "Das Land könnte zu alt sein, bevor es wohlhabend ist."

Bedroht uns "Chinindio", wie viele glauben? Europa hat auch Japans Aufstieg gut verkraftet und neue Märkte gewonnen. Indien und China kehren aus tiefster Depression stärker denn je zurück. Es stellt sich die Frage, was Europa daran hindert, diesem Vorbild nachzueifern.

Karl Pilny: Tanz der Riesen. Indien und China prägen die Welt. Campus Verlag, Frankfurt 2006, gebunden, 372 Seiten, 24,90 Euro


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