© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

Zugriff aus Übersee droht
EADS: Neben schweizerischen werden nun auch US-Banken am Luft- und Raumfahrtkonzern beteiligt
Michael Weis

Wirtschaftspolitik ist stets auch in gewisser Weise Sicherheitspolitik, da die Existenz eines Staates elementar von dessen Wirtschaft abhängt. Das gilt besonders dann, wenn militärisch relevante Wirtschaftsbereiche oder gar Rüstungskonzerne betroffen sind. Ein brisantes Beispiel ist die Entwicklung beim - nach dem US-Konzern Boeing - zweitgrößten Luft- und Raumfahrtunternehmen der Welt, der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS).

Der Europa-Konzern mit Sitzen in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich entstand im Juli 2000 aus einem Zusammenschluß der Daimler Chrysler Aerospace (Dasa), des französischen Aérospatiale-Matra-Konzerns und der spanischen Construcciones Aeronáuticas (Casa). Die EADS und ihre zahlreichen Tochterunternehmen stellen nicht nur Airbus-Flugzeuge, sondern auch diverse hochentwickelte Militärtechnologien wie den Eurofighter her. Wie seit längerem bekannt ist, beabsichtigt Daimler-Chrysler, seine 22,5 Prozent an EADS um 7,5 Prozent auf 15 Prozent zu reduzieren.

Um durch diese Entwicklung nicht an Einfluß zu verlieren, bemühte sich die Bundesregierung in monatelangen Verhandlungen eine Lösung zu finden, die einerseits die Berücksichtigung deutscher Interessen im Konzern garantiert, andererseits einen direkten staatlichen Einstieg überflüssig macht. Dabei erschien die beste Möglichkeit die Schaffung eines deutschen Finanzkonsortiums, um das deutsch-französische Machtgleichgewicht bei EADS zu wahren. Letzte Woche verlautete aus Finanz- und Regierungskreisen, daß sich auch internationale Investmentbanken maßgeblich an diesem Konsortium beteiligen sollen und voraussichtlich ein Aktienpaket im Wert von 1,5 Milliarden Euro übernehmen werden.

Damit werden die US-Investmentbank Morgan Stanley und die Schweizer Credit Suisse genauso zu den Miteignern von EADS gehören wie der New Yorker Konkurrent Goldman Sachs. Letztere ist eine von vier Banken, welche der Bundesregierung bereits vor Weihnachten ihre Teilnahme am Finanz-Konsortium zugesagt haben sollen. Geplant ist, daß die drei ausländischen Institute ungefähr ein Fünftel des Konsortiumpakets übernehmen. Demnach werden private Institute die Mehrheit und öffentlich-rechtliche die Minderheit des 7,5-Prozent-Paketes halten. Eine hoch komplexe Derivatekonstruktion soll dabei aber sicherstellen, daß Daimler-Chrysler die Stimmrechte des Pakets auch weiterhin vertritt und somit der deutsche Einfluß neben dem französischen stabil bleibt.

Sicherheitspolitik hat einen untergeordneten Stellenwert

Darüber hinaus soll das von Daimler-Chrysler zum Verkauf stehende EADS-Aktienpaket nur für die Dauer von vier Jahren in den Besitz des Konsortiums übergehen. Daimler erhält dadurch einen Kredit für den Anteil, der als Sicherheit dient, während das Konsortium das Kursrisiko der Aktien tragen wird. Weder der Konzern EADS noch Daimler-Chrysler sind also einem existentiellen Risiko ausgesetzt. Nichtsdestotrotz wird zugelassen, daß der Anteil ausländischer Investoren wächst.

Damit geht zwangsläufig die Möglichkeit der Einflußnahme einher, auch wenn diese minimal und indirekt sein mag. Ferner könnte die Hemmschwelle sinken, in Zukunft ausländische Investoren in größerem Maßstab auf dem europäischen oder gar deutschen Rüstungsmarkt Fuß fassen zu lassen.

Bei aller Absicherung gegen ein zu starkes Gewicht der US- bzw. schweizerischen Banken bei EADS zeigt sich an dem aktuellen Beispiel erneut deutlich, daß Deutschland (im Gegensatz etwa zu Frankreich) der Sicherheitspolitik einen untergeordneten Stellenwert einräumt. Statt dessen wird kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen nachgegeben, anstatt eine dauerhafte Einflußnahme auf EADS sicherzustellen. Schließlich hätte Deutschland durch einen noch so geringen, aber direkten prozentualen Anteil am europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern ein wahrhaftiges Mitspracherecht und könnte seine rüstungspolitischen Vorstellungen sicherlich deutlicher artikulieren.

Auch wenn jeder staatliche Eingriff in die Wirtschaft hohe Risiken birgt, so müssen doch die vitalen Interessen einer Nation stets Vorrang haben, da ein Staat nur so lange eine Wirtschaft hat, wie er auch selbst existiert. Problematisch würde eine deutsche Staatsbeteiligung bei EADS zumal erst dann, wenn der Staat in höherem Maße aktiv in die Unternehmensführung eingreifen würde, anstatt nur eine generelle Umsetzung seiner strategischen Vorstellungen einzufordern.

Ob die Zulassung einer geringen Beteiligung von Amerikanern und Schweizern an EADS nun tatsächlich langfristige negative Folgen für die Verwirklichung deutscher Interessen haben wird, ist heute jedoch nicht mit völliger Sicherheit vorherzusagen. Der Optimismus, daß durch das momentan geplante Konsortium der deutsche Einfluß dauerhaft gesichert werden kann, könnte sich aber auch als voreilig herausstellen. Denn bei Rüstungs- und Hochtechnologie geht es um mehr als beim Wohnungsverkauf an "Heuschrecken".


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