© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

Frisch gepresst

Universalgelehrter. Wie kein anderer deutscher Wissenschaftler hat der 1907 geborene Manfred Baron von Ardenne, der am 20. Januar hundert Jahre alt geworden wäre, an wesentlichen technischen Erneuerungen seinen Anteil gehabt. Über die Elektrotechnik, die Kernphysik bis zur Medizin sind seine Forschungen und Entwicklungen richtungweisend, Ardennes Patente sind in der Unterhaltungselektronik bei Entwicklung des Radios oder des Fernsehens, beim Raster-Elektronenmikroskop oder der systemischen Krebs-Mehrschritt-Therapie bis heute allgegenwärtig. Daß der Autodidakt, der wegen schlechter Leistungen vom Gymnasium flog und später das Studium abbrach, als wissenschaftliche Ausnahmeerscheinung heute weit hinter Planck, Einstein, Humboldt und selbst Heisenberg wahrgenommen wird, ist vermutlich seinem Lebenslauf im Jahrhundert der Diktaturen geschuldet, "Verstrickungen" in diese totalitären Regime nicht immer fern. So ist es vielleicht kein Zufall, daß Gerhard Barkleit zum Leben und Werk Ardennes als Mitarbeiter des Zentralinstituts für Kernforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR nicht nur fachlich und politisch einen Zugang fand, sondern diesen auch durch die ab 1993 aufgenommene Tätigkeit am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung zeitgeschichtlich einzuordnen vermochte (Manfred von Ardenne. Selbstverwirklichung im Jahrhundert der Diktaturen. Duncker & Humblot, Berlin 2006, broschiert, 396 Seiten, 38 Euro).

Aggressor Polen. Die Ausblendung der latent aggressiven polnischen Politik bis 1939 oder das Verharmlosen der verbrecherischen Vertreibung nach 1945 in vielen zeitgeschichtlichen Publikationen läßt oft das berechtigte Bedürfnis reifen, ein Korrektiv zu schaffen - so auch beim gebürtigen Oberschlesier Joachim Nolywaika. Diesem Angehörigen der Erlebnisgeneration gehen jedoch im Kampf gegen die im Untertitel beklagte "Verschwörung des Schweigens" vollends die propagandistischen Pferde durch. So nimmt es nicht wunder, daß seine ebenso haltlosen wie haarsträubenden Schilderungen polnischer Exzesse an Volksdeutschen in der Zwischenkriegszeit noch vor den Pogromen in Bromberg des September 1939 selbst die augenscheinlich auch ideologisch wenig fernstehenden Elaborate aus Goebbels' Ministerium im Glaubwürdigkeitsgrad noch unterbieten (Polen - nicht nur Opfer. Deutsche-Stimme-Verlag, Riesa 2006, broschiert, 187 Seiten, 14,80 Euro).


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