© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Kolumne
Verkurnazt
Rolf Stolz

Was, Sie wissen nicht, wie man die Leute verkurnazt? Sie verstehen das Wort nicht? Ja, lesen Sie nicht den Stern? Hören Sie nie das D-Radio? Murat Kurnaz halten Sie für einen türkischen Obermufti? Ich merke, Sie wollen verkurnazt werden.

Der Reihe nach: Murat Kurnaz ist "der deutsche Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz". So stand es im Stern. Nun gut, Sie haben schon begriffen, daß Guantánamo keine nach Mallorca ausgelagerte Filiale von Stuttgart-Stammheim ist und Herr Kurnaz nicht von Deutschen inhaftiert wurde. Aber Sie glauben, daß Murat Kurnaz ein Deutscher ist? Ja, das haben Sie doch neulich irgendwo gehört. Stimmt sogar: "Der deutsche Staatsbürger Murat Kurnaz", sagt Marc Thörner im D-Radio am 12. Dezember 2006 in seiner Sendung "Nebel am Hindukusch", und der Sender bläst diesen auch auf seiner Internetseite fröhlich in deutsche Wohnstuben. Pech nur, daß der "deutsche Staatsbürger" gar keinen deutschen Paß hat - nur einen türkischen. Was aber professionelle Kurnazer nicht daran hindert, Murat Kurnaz zumindest zum "Deutsch-Türken" zu ernennen. In englischsprachigen Medien wird er uns als "German-born" serviert - man möchte das ja fast mit "deutschblütig" übersetzen und fühlt sich an Zeiten von "Lebensborn" und "Heim ins Reich" erinnert.

Und wie wird ein hier bei uns lebender Türke, der aus dem ihm verhaßten Schweinefleischfresser-Land zum Hindukusch flüchtet zwecks Weiterbildung in Koran-Schulen und an anderen Fronten, zum "Deutsch-Türken"? Einfach, indem man denselben Quark auftischt, bis das widerstrebende Publikum ihn hinunterwürgt. Wen kümmert es da, daß Kurnaz zum engsten Freundeskreis von Selcuk Bilgin gehörte, einem verhinderten Taliban-Mitkämpfer und Selbstmordattentäter in spe (so dessen Eltern)?

Dem, der nicht alles schluckt, bleiben drei simple Einsichten: Erstens wirkt Kurnazen nur bei denen, die dem Stern mehr Glauben schenken als der Bunten oder der Bild und die noch nicht wissen, daß das "D" beim D-Radio manchmal eher für Dhimmilandfunk und Dummschwätzer steht als für Deutschland. Zweitens ist ein türkischer Islamist besser in der Türkei aufgehoben als überall sonst. Drittens ist nur die Türkei für türkische Staatsbürger zuständig, auch für solche in Deutschland - nicht jene Dumpfdeutschen, die sich für einen Terroristenfreund ins Zeug legen statt für die Millionen Menschen, die weltweit unter dem islamistischen Terror leiden.

 

Rolf Stolz war Mitbegründer der Grünen und lebt als Publizist in Köln.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen