© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Absetzbewegung
Erinnerungspolitik: Bundesregierung stellt das Zentrum gegen Vertreibungen in Frage
Hans-Joachim von Leesen

Die Unterzeichner eines von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Umlauf gesetzten Aufrufs zur Schaffung des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin erhielten vor wenigen Tagen einen Rundbrief, mit dem ihnen die Gesellschaft für die Unterstützung des Vorhabens der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), und des verstorbenen SPD-Politikers Peter Glotz dankte, in dem ihnen aber gleichzeitig mitgeteilt wurde: "Mit Brief vom 20. Dezember 2006 hat uns das Bundeskanzleramt mitgeteilt, daß man sich gegen das 'Zentrum gegen Vertreibungen' entschieden hat und andere Pläne für das 'Sichtbare Zeichen' in Berlin verfolgt."

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte hatte 10.000 Unterschriften für das Zentrum gesammelt und Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben verbunden mit der Forderung, nun endlich an die Schaffung des Mahnmals zu gehen. Die Voraussetzungen schienen günstig, hatte doch der Haushaltsausschuß des Bundestages der Stiftung Zentrum gegen Vertreibung für das in Berlin geplante "Sichtbare Zeichen" 750.000 Euro bewilligt sowie dem Bund der Vertriebenen weitere 250.000 Euro als Projektmittel für die Ausstellung "Erzwungene Wege" (JF 35/06).

Wenige Tage danach aber war zu erfahren, daß der mit der Umsetzung des Projekts betraute Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann (CDU), ein neues Gremium berufen habe, das ein neues Konzept entwickeln sollte. Und dessen "Eckpfeiler" sollte nicht etwa das Konzept von Steinbach/Glotz sein, sondern die von einem Bundesbeamten entwickelte, vor allem in Vertriebenenkreisen hoch umstrittene Bonner Ausstellung "Flucht, Vertreibung und Integration" (JF 3/06). Die Gesellschaft für Menschenrechte bat Neumann um Aufklärung dieses Widerspruches.

Der Antwortbrief vom 20. Dezember verstärkte die Unklarheit und bestätigte den Verdacht, auf diese Weise solle das Konzept für ein Zentrum gegen Vertreibungen kaltgestellt werden, wie sich die Gesellschaft ausdrückte. Neumann verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem zwischen den Unionsparteien und der SPD vereinbart worden sei, "zur gesellschaftlichen wie historischen Aufarbeitung von Zwangsmigration, Flucht und Vertreibung im Geiste der Versöhnung und in Verbindung mit dem Europäischen Netzwerk Erinnerung und Solidarität" solle "auch in Berlin ein sichtbares Zeichen" gesetzt werden. Wesentlicher Bestandteil soll eine Dauerausstellung sein, die "konzeptionell und inhaltlich an die Ausstellung 'Flucht, Vertreibung, Integration' der Stiftung Haus der Geschichte anknüpft. Wobei gesamteuropäische Gesichtspunkte von Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert, ihr internationaler Kontext und ihre Hintergründe einbezogen werden sollen." Der Staatsminister verweist darauf, daß zu dem neu geschaffenen Beraterkreis auch ein Vertreter des BdV gehören werde.

Ein Optimist könnte aus dieser verschwommenen Antwort die Hoffnung schöpfen, daß wenigstens die Grundidee der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen geblieben ist, wie sie in dem seit Jahren verbreiteten Werbeblatt der Stiftung formuliert wird, daß nämlich "sowohl die Tragödie der deutschen Heimatvertriebenen als auch die Vertreibung anderer Völker, insbesondere in Europa" aufgearbeitet wird, um damit im Dialog mit den Nachbarvölkern und im Geiste der Versöhnung "einen weißen Fleck im öffentlichen Bewußtsein" zu tilgen.

Allen, die die Idee Steinbachs und Glotz unterstützten, dürfte es selbstverständlich gewesen sein, daß im Mittelpunkt die größte ethnische Säuberung der Geschichte zu stehen hat, die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Optimisten auch Realisten sind, wenn man die Reaktionen einiger ost- und mittelosteuropäischer Regierungen bedenkt, die nun ein neues Beratergremium besetzen sollen. Daß die Bundesregierung ihnen den deutschen Standpunkt entgegensetzt, darauf kann wohl niemand hoffen.


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