© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Nicht nur die Verpackung ist neu
"Kampf gegen Rechts": Neues Programm "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie" löst Entimon, Civitas und Xenos ab / Kommunen sind antragsberechtigt
Peter Freitag

Der im Jahre 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ausgerufene "Aufstand der Anständigen" beinhaltete auch ein Aktionsprogramm, mit dem das Familienministerium "demokratisches Verhalten, ziviles Engagement, Toleranz und Weltoffenheit insbesondere Jugendlicher" zu fördern gedachte.

Mit den klangvollen Bezeichnungen "Entimon - gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus", "Civitas - initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern" und "Xenos - Leben und Arbeiten in Vielfalt" wurden die drei Schwerpunkte dieser ministeriellen Förderung bezeichnet, die nach fünf Jahren Dauer mit dem Jahreswechsel nun ausgelaufen sind.

Insgesamt flossen laut Ministeriumsangaben 192 Millionen Euro Steuergelder in solche Initiativen, die dem jeweiligen Schwerpunkt eines der drei Programme zugeordnet worden waren. Nicht selten war man bei der Ausschüttung dieses Geldsegens wenig wählerisch, so daß auch Gruppierungen davon profitierten, die laut Verfassungsschutz eindeutig dem linksextremen Spektrum zuzuordnen sind. Nicht zuletzt wegen derartiger Mißstände sahen sich CDU und CSU gezwungen, nach dem Regierungswechsel 2005 eine Änderung der Förderpraxis durchzusetzen. Da aber die alte Regierungspartei SPD weiterhin am Kabinettstisch sitzt, blieb die Reform Stückwerk. Denn auch weiterhin gelte: "Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind in Deutschland nach wie vor ernst zu nehmende Probleme. Dies belegen die Verfassungsschutzberichte, die Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien sowie neuere Studien und Berichte aus der pädagogischen Praxis", so der einleitende Text im Konzeptpapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Ab dem 1. Januar 2007 fließen also zur Abhilfe wieder neue (Steuer-) Mittel, diesmal allerdings unter Verzicht auf die dreigeteilte Spezifizierung und mit dem erweiterten Titel "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus". Die Verantwortlichen aus Ursula von der Leyens (CDU) Ministerium betonen, daß mit der Botschaft "für Vielfalt, Toleranz und Demokratie positiv besetzte Inhalte transportiert" werden. Zur "Entwicklung integrierter lokaler Strategien" zugunsten einer "Stärkung der Zivilgesellschaft" stehen Kommunen ab einer Größe von 10.000 Einwohnern pro Jahr Mittel in Höhe von bis zu 100.000 Euro zur Verfügung (erste "Säule").

Für die Förderung müssen sich die Kommunen bewerben, nach Presseangaben sollen in einer ersten Runde deutschlandweit 24 Städte und Kreise bereits für die Mittelvergabe ausgewählt worden sein. Ferner sollen sogenannte "Modellprojekte" gefördert werden, für die in einem drei Jahre dauernden Zeitraum jeweils bis zu 450.000 Euro vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereitgestellt werden, die aber auch durch Finanzbeigaben aus kommunalen oder privaten Haushalten gefördert werden sollen (zweite "Säule"). Als drittes muß das Programm gesteuert und wissenschaftlich begleitet werden, wozu unter Ausnutzung bestehender Gremien auf Bundesebene ein Beirat und eine Regierungsstelle einzurichten ist, so das Konzept des Ministeriums (dritte "Säule"). Im aktuellen Bundeshaushalt sind für dieses neue Programm für Vielfalt und Toleranz 19 Millionen Euro veranschlagt (JF 48/06).

"Säule 1" dient vorrangig der Verbesserung von Einrichtungen der Jugendarbeit und -hilfe in den neuen Bundesländern. Dort verfügen, so die Verfasser des ministeriellen Papiers, Jugendliche "häufig nicht über ausreichende Angebote zur sozialen Integration in demokratische Strukturen". Diesen Mißstand hätten rechtsextreme Organisationen mit jugendspezifischer Ansprache ausgenutzt, daher sei Abhilfe vonnöten.

Die "zweite Säule" beinhaltet laut Planung in erster Linie politische Bildungsarbeit. Dabei geht es unter anderem um die Auseinandersetzung mit "historischem und aktuellen Antisemitismus", wobei zwar als Zielgruppe weiterhin besonders die "rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen" ins Auge gefaßt werden, nun aber auch "antisemitische Tendenzen bei Migrant/innen" zu bekämpfen seien. Weitere Schlagworte im Programm: "Interreligiöses, interkulturelles Lernen", "antirassistische Bildung", "Demokratie- und Toleranzerziehung" und "Kulturelle und geschichtliche Identität". Letzteres läßt aufhorchen und könnte tatsächlich der inhaltlichen Erweiterung des Programms dienen, wenn es zu diesem Punkt heißt: "Nach wie vor gehören Verweise auf historische 'Tatbestände' zum Kernbestand extremer Ideologien und fremdenfeindlicher Argumentationen. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, angemessene Angebote zu entwickeln und umzusetzen."

Linke Kritiker - meist jene "Rechtsextremismusexperten", die finanziell bisher von Programmen wie Civitas profitierten - bemängeln am neuen Konzept, daß damit den Kommunen und lokalen Entscheidungsträgern den größten Teil der Verantwortung hätten. Dies gefährde, heißt es in einem Bericht der taz, "unbequeme Initiativen". Damit sind offensichtlich jene "Antifaschisten" gemeint, die den Kampf "gegen Rechts" etwas weiter auslegen - und womöglich wörtlich nehmen. Immerhin scheint die neue Subsidiarität den Spielraum zu erweitern. Eine Gemeinde in Baden-Württemberg fördert mit dem Geld aus dem Topf "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" die Integration junger Ausländer. 

Mehr Informationen zum Programm im Internet: www.jugendstiftung-vielfalt.org 

Foto: Ursula von der Leyen mit Schülern: Jugendlichen den Weg zeigen


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