© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/07 26. Januar 2007

Die deutsche Sprache in Nordschleswig stärken
Dänemark: Die gewählten Vertreter der deutschen Minderheit tagten in der südschleswigschen Akademie Sankelmark
Hans-Joachim von Leesen

Anfang Januar trafen sich die regionalen Funktionsträger der deutschen Volksgruppe im seit 1920 dänischen Nordschleswig, um ebenso Bilanz der Arbeit des vergangenen Jahres zu ziehen wie sich über die Perspektiven für die Zukunft zu verständigen. Was die diesjährige Tagung in der südlich der Grenze gelegenen Akademie Sankelmark hervorstechen ließ, war die zum 1. Januar neu gewählte Führungsriege der Minderheit, die sich der Öffentlichkeit vorstellte. Und als die Herren samt einer Dame auf dem Podium saßen, zeigte sich, daß der von langer Hand vorbereitete und jetzt durchgeführte Wechsel der Generationen gelungen ist.

Unverkrampftes Nationalbewußtsein

Neben dem neuen Hauptvorsitzenden des Bundes deutscher Nordschleswiger, dem aus Tingleff stammenden 47jährigen Landwirt Hinrich Jürgensen, saßen der Vorsitzende der politischen Partei der deutschen Volksgruppe, der Schleswigschen Partei (SP), der 45jährige Gerhard Mammen; der Vorsitzende der Jugendorganisation der Volksgruppe, der "Jungen Spitzen", Simon Petersen (21); das SP-Mitglied des Stadtrates in Sonderburg, Stephan Kleinschmidt (29); das SP-Stadtratsmitglied in Hadersleben, Uwe Jessen (35); der neue Leiter des Sekretariats der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen, Verbindungsglied zum dänischen Parlament und zur dänischen Regierung, Jan Diedrichsen (31), sowie als einzige Dame Monika Bucka-Lassen als neue Vorsitzende des überaus wichtigen Kulturausschusses der Volksgruppe.

Sie bietet einen besonderen Akzent, ist sie doch Schweizerin, die seit 30 Jahren mit einem deutschen Nordschleswiger verheiratet ist. Sie entwickelte ihr Programm: Als Leiterin ihres Ausschusses wolle sie Hochkultur, Lebensart und Alltagskultur verbinden, wozu gehöre, zunächst die eigene Heimat Nordschleswig kennenzulernen, die immerhin von der Nordsee bis zur Ostsee reiche, sodann sich intensiver mit einem der neuen Bundesländer zu befassen - gedacht ist an Mecklenburg, das bereist werden soll und dessen Bewohner sie nach Nordschleswig einladen möchte - und die Verbindung in die deutschsprachige Schweiz aufzunehmen, "die ja auch zum deutschen Kulturraum gehört".

Die Neugewählten demonstrierten in bemerkenswerter Weise unverkrampftes Nationalbewußtsein, ohne dabei antidänische Spitzen erkennen zu lassen. Ihr Optimismus scheint berechtigt, gelang es doch in der Kommunalwahl nach der innerdänischen Neugliederung der deutschen SP, in alle Stadträte der neuen Großkommunen einzuziehen, wo ihre Stimmen von den dänischen Parteien ohne Probleme akzeptiert werden (JF 49/05). Als zentrale Aufgabe bezeichnete es der Hauptvorsitzende Jürgensen, die deutsche Sprache in Nordschleswig zu stärken. Auch müsse man der Mehrheitsbevölkerung deutlich machen, welch bedeutenden Faktor die deutsche Volksgruppe darstelle, die einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Kronen (33,6 Millionen Euro) pro Jahr aufzuweisen habe und über 300 Angestellte verfüge. Daß alles getan werden müsse, das gut ausgebaute deutsche Schul- und Kindergartensystem sowie die sozialen und kirchlichen Einrichtungen zu erhalten, war für alle selbstverständlich.

Und noch eine Veränderung wurde erkennbar: Bislang galt die deutsche Minderheit als eine Partei von Bauern und Bürgern. Die jungen Mitglieder der Führungsgremien aber sind überwiegend Akademiker. Alle waren sich einig: Es gehe darum, die deutsche Volksgruppe im südlichen Dänemark gleichzustellen mit der Mehrheitsbevölkerung unter Berücksichtigung der besonderen Situation der deutschen Minderheit.

Deutschen Vertreter können mitreden und mitentscheiden 

Obgleich die deutschen Mandatsträger keine Fraktionen in den Stadtparlamenten bilden, haben ihre Stimmen Gewicht, da es in der dänischen Kommunalpolitik weniger auf Kampfabstimmungen ankommt. Entscheidungen werden eher "zurechtgeschnackt", wie man sagt, man einigt sich also im Vorfeld oder hinter den Kulissen. Und dabei haben die deutschen Vertreter ein erhebliches Wort mitzureden. Der SP-Abgeordnete Stephan Kleinschmidt in Sonderburg (Sønderborg) - den schon andere Parteien abwerben wollten - ist beispielsweise stellvertretender Bürgermeister und Vorsitzender eines Ausschusses geworden. Im Gegenzug hat er dafür gesorgt, daß der Kandidat der dänischen Sozialdemokraten Bürgermeister wurde. Und im vergangenen Jahr hat sich mit dem rechtsliberalen Unterrichtsminister Bertel Haarder erstmals ein dänischer Regierungsvertreter bei der deutschen Minderheit für erlittenes Unrecht nach 1945 entschuldigt (JF 50/06). Angesichts dessen blieb es auch ruhig, als Søren Krarup, Parlamentarier der rechten Dänischen Volkspartei (DF), im dänischen Radio DR auch das deutsche Südschleswig als "altes dänisches Land" bezeichnete und seiner Hoffnung auf eine Rückkehr "in unsere Grenzen" Ausdruck gab (JF 45/06).

Die SP versteht sich nicht nur, wenn auch vor allem, als Vertreterin der deutschen Volksgruppe, sondern als Partei für die Interessen ganz Nordschleswigs. Die Frage, ob sie sich auch für Dänen öffnen würde, wurde bejaht mit dem Zusatz: "Vorausgesetzt, sie akzeptieren die deutsche Identität." Die Versammlung war sich einig, daß das Verständnis für die Deutschen in Dänemark wesentlich besser geworden sei und das Verhältnis beider Völker zueinander deutlich lockerer. Auf die Frage: "Wie lange wird es noch die deutsche Volksgruppe geben?" wurde mit Gelächter geantwortet: "So wurde schon 1920 gefragt."

Der Bund Deutscher Nordschleswiger im Internet: www.nordschleswig.dk 


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