© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/07 02. Februar 2007

Tornados warten auf Starterlaubnis
Bundeswehr: Zweifel an Ausweitung des Afghanistan-Mandates wachsen / CSU lehnt Vorratsbeschlüsse für Auslandseinsätze ab
Paul Rosen

Der große Verbündete freut sich schon. "Wenn Deutschland jetzt auch noch einen Beitrag zur Aufklärung leisten könnte, wäre das ein guter Schritt", sagte die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice zu der in Berlin überlegten Entsendung einer Staffel Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado RECCE nach Afghanistan. Doch in der Großen Koalition bekommen immer mehr Abgeordnete Bauschmerzen wegen der Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Dennoch werden die Flugzeuge über kurz oder lang losgeschickt werden, weil auch die Bundeswehr dringend Aufklärungskapazitäten in ihrem Einsatzgebiet braucht.

Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden und früheren Verteidigungsminister Peter Struck schien alles zunächst kein Problem zu sein. Er hielt sogar einen zusätzlichen Bundestagsbeschluß zur Entsendung der Flugzeuge für überflüssig. Die Maschinen könnten über das bereits geltende Mandat nach Kabul oder einen anderen Flughafen geschickt werden, gab sich der SPD-Politiker überzeugt.

Allerdings ist die Höchstgrenze des vom Bundestag beschlossenen Mandates, die derzeit bei 3.000 Soldaten liegt, fast ausgeschöpft. Für den Betrieb der Flugzeuge wären vor Ort etwa 250 Luftwaffen-Soldaten notwendig. Dies ginge nur, wenn aus anderen deutschen Stützpunkten in Kabul, Masar-i-Sharif, Kundus oder Feisabad Soldaten abgezogen werden würden, um die Höchstgrenze einzuhalten. Daran ist angesichts der sich zunehmend verschlechternden Sicherheitslage auch im Norden nicht zu denken.

Grundsätzlich ist der Einsatz vom Mandat gedeckt. Für gelegentliche Aufklärungsflugzeuge auch im Süden reichen die Genehmigungen des Bundestages aus. Und was in Berlin nicht diskutiert wird, ist die Tatsache, daß die Bundeswehr selbst für ihren Zuständigkeitsbereich im Norden die Flugzeuge braucht. Bereits im August hatte der Führungsstab V des Verteidigungsministeriums Tornados angefordert, weil die eigenen Aufklärungskapazitäten schlecht sind und die Bundeswehr praktisch blind operiert. Doch die Bitte war von der politischen und militärischen Führung des Ministeriums abgelehnt worden.

Obwohl es sich nur um Aufklärungsflugzeuge handelt, die nicht für Kampfeinsätze ausgerüstet sind, werden besonders in der SPD Sorgen geäußert, die Luftwaffe müsse bald auf Taliban schießen: "Wir müssen alles tun, damit wir nicht in eine schärfer werdende kriegerische Auseinandersetzung hineingezogen werden", sagte der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen.

Andere Abgeordnete sind offenbar gar nicht informiert, was in Afghanistan wirklich los ist. So verlangte der Grünen-Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer, der zivile Aufbau müsse oberste Priorität haben. Ziviler Aufbau erscheint in einem Land, in dem amerikanische Streitkräfte pausenlos Luftangriffe fliegen und die niederländischen Streitkräfte sogar Panzerhaubitzen gegen Taliban-Einheiten einsetzen müssen, wirklich als das letzte Mittel.

Struck änderte inzwischen unter Druck seiner Fraktion seine Meinung über den Tornado-Einsatz und tritt jetzt dafür ein, daß der Bundestag einen zusätzlichen Beschluß faßt, der das bisherige Isaf-Mandat ergänzt. In der Union gibt es ganz andere Überlegungen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff (CDU) und Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) liebäugeln mit einem Vorratsbeschluß für Auslandseinsätze. Damit könnte die Regierung allein bestimmen, ob sie im Rahmen von Europäischer Union oder Nato Truppen entsendet. Der Bundestag müßte dann im Einzelfall nicht mehr gefragt werden, weil er bereits allen EU- und Nato-Einsätzen grundsätzlich zugestimmt hätte.

Dieses kleine Ermächtigungsgesetz für Auslandseinsätze wäre brandgefährlich. Da es sich bei Isaf in Afghanistan um einen Nato-Einsatz handelt, könnte die Bundesregierung mit einem Vorratsbeschluß im Rücken Verbände für Kampfeinsätze im Süden Afghanistans abstellen, ohne das Parlament fragen zu müssen. Auch wenn die EU wieder auf die Idee kommen würde, Friedensmacht irgendwo in Afrika spielen zu wollen, wären die Deutschen dann dabei, weil vielleicht der Druck auf einem EU-Gipfel so groß war. Die heutige Regelung zwingt die Bundesregierung zu einer gewissen Zurückhaltung, was militärische Interventionen betrifft.

Eine deutliche Gegenposition zu den Außenpolitikern wie Schockenhoff oder Schmidt nimmt die CSU-Landesgruppe ein. Die bayerischen Bundestagsabgeordneten faßten auf ihrer Klausur in Kreuth einen Beschluß mit viel Sprengstoff für die Koalition, was allerdings wegen der Krise um Edmund Stoiber nur wenigen auffiel. "Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der internationalen Krisenbewältigung darf keinem Automatismus unterliegen. Die Bundeswehr kann und soll nicht die Rolle eines überall präsenten Weltpolizisten übernehmen", heißt es in dem Papier.

Die Forderung nach Vorratsbeschlüssen lehnen die bayerischen Abgeordneten strikt ab: "Sowohl die multilateral verpflichtende Bereitstellung eines bewaffneten Bundeswehrkontingents für multinationale Verbände im Rahmen der Europäischen Union (EU Battle Group) oder der Nato (Nato Response Force) als auch ein konkreter Auslandseinsatz dieses Kontingents bedürfen der Zustimmung des Bundestages." Allerdings gilt die CSU wegen ihres bisher ungelösten Führungsstreits als sehr geschwächt und in der Großen Koalition derzeit als wenig durchsetzungsfähig.

Foto: RECCE-Tornado des Aufklärungsgeschwaders 51 "Immelmann": Begehrte Technologie


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