© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

In einem Land ohne Heimat
Film: "Der 'Rebell'"
Martin Lichtmesz

Terror und Radikalismus sind sexy, wie die RAF-Konjunktur anläßlich der Debatte über die vorzeitige Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar suggeriert. Der "deutsche Herbst" und "Baader-Meinhof" sind zu Pop-Mythen geworden, die gegen moralische Einwände beinah immun sind. Warum sollte eine Gesellschaft, in der Che Guevara eine allgemein akzeptierte populäre Ikone ist, mit Andreas Baader allzu streng ins Gericht gehen?

Der Spaß hört erst dann auf, wenn die Gewalt nicht mehr von links, sondern von rechts kommt. Die Filmversion der 2004 erschienenen Biographie Odfried Hepps, seines Zeichens "Neonazi, Terrorist, Aussteiger", setzt anders als das Buch den Titel "Der 'Rebell'" in Anführungsstriche: "Richtiges" Rebellentum gesteht man wohl nur der Linken zu.

Hepp indessen kann es locker mit Baader aufnehmen, was Abenteuerlust, Fanatismus und Outlaw-Romantik betrifft. Auch Hepp ist ein Kind der "bleiernen Zeit" der siebziger Jahre. Der 1958 Geborene wuchs in einem "völkischen" Milieu auf, sein Vater war Mitglied der Deutschgläubigen Gemeinschaft. Als Jugendlicher war Hepp unter anderem in der Wiking-Jugend und in verschiedenen Wehrsportgruppen tätig. Die Zeltlager mit Runenfahnen und Uniformen mündeten bald in einem neonazistischen Mummenschanz, ähnlich den zeitgleich entstehenden "SA"-Truppen Michael Kühnens.

Hepps Aggression richtete sich ähnlich wie bei der frühen RAF in erster Linie gegen die US-amerikanischen Besatzer, die er des "schleichenden Völkermordes" bezichtigte. Bald zeichnete er für Bombenanschläge auf Angehörige der US-Armee und deren Einrichtungen verantwortlich. In PLO-Lagern im Libanon übte Hepp den Guerilla-Kampf ein. 1982 veröffentlichte die Hepp-Kexel-Gruppe ein antiimperialistisch-antikapitalistisches Manifest mit dem Titel "Abschied vom Hitlerismus". Letzterer habe "das deutsche Volk konsequent in das Verderben von 1945 geführt, in dem wir heute noch stecken". Das Manifest verurteilte weiter den "bürgerlichen Nationalismus", erklärte den Gegensatz von "Rechts und Links" für überholt und enthielt ein indirektes Bündnisangebot an die RAF. Der Neonazi war zum Nationalrevolutionär geworden.

Hepp erhielt massive Unterstützung von der Stasi, die ihm schließlich 1984 half, in Marseille unterzutauchen. Dort lernte er die große Liebe seines Lebens kennen - ausgerechnet eine Farbige. Allmählich wandte sich Hepp von Gewalt und Fanatismus ab. Er wurde 1987 an die BRD ausgeliefert und zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der 1993 entlassene Hepp ist inzwischen ins bürgerliche Leben zurückgekehrt.

Im Mittelpunkt des Films "Der 'Rebell'" steht Odfried Hepp selbst, der sich freimütig über seine Laufbahn äußert. "Deutschland wurde seelisch enterbt und enteignet ...Wir leben in einem Land ohne Heimat", schrieb Hans-Jürgen Syberberg 1978 angesichts des RAF-Terrors. "Soviel Unterdrückung eigener Tradition und seines Wesens mußte Aggressionen hervorrufen, auf deutsche Weise, radikal und fanatisch."

Der Film von Jan Peter und Yury Winterberg liefert einen wertvollen Beitrag, diese Zusammenhänge zu verstehen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen