© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/07 23. Februar 2007

Meldungen

Der Durchbruch des Reichsnationalismus

MÜNCHEN. Obwohl die Historiographie zum Themenkomplex Nation, Nationalismus und nationale Identität "nahezu unüberschaubar" sei, meint Oliver Zimmer, daß wir über die "lebensweltliche Verarbeitung von Nationalisierungsprozessen noch relativ wenig wissen" (Historische Zeitschrift, Band 283/2006). Als wohl zu simpel müsse das klassische Modell von der "Erfindung der Nation" gelten, das die Kreation einer neuen Vorstellungswelt aus Legitimationsinteressen jener Eliten erklärt, die am meisten vom Zusammenspiel zwischen Modernisierung und Nationalisierung profitierten. Was Zimmer indes "mikrohistorisch" an der Inszenierung von Sedanfeiern und Fronleichnamsprozessionen in den gemischtkonfessionellen Städten Augsburg und Ulm nachweist, läuft eher auf eine Bestätigung dieses Legitimationsmodells hinaus. Wenn auch gegen zähe katholische Widerstände, setzte sich der protestantische "Reichsnationalismus" nach 1871 als "einheitliche Deutungs- und Wertkultur" durch. Die für Zimmers Erkenntnisinteresse zentrale Frage nach dem Mechanismus solcher "Verarbeitung", warum also "nationalliberalen Normen" den "Durchbruch" schafften und immer breitere Bevölkerungskreise "erfaßten", so daß sich ein Wechsel in Mentalität und Habitus vollzog, bleibt bei ihm jedoch leider unbeantwortet.

 

Neues in Sachen "Links-Schmittianismus"

MÜNCHEN. Als Ellen Kennedy 1986 über "Carl Schmitt und die 'Frankfurter Schule'" schrieb, war das Geschrei groß. Die US-Politologin hatte sich erlaubt, eine zentrale Gemeinsamkeit zwischen Schmitt und linken Lichtgestalten wie Otto Kirchheimer, Walter Benjamin und Jürgen Habermas herauszustellen: die "Abneigung gegenüber dem Liberalismus". Eifernde Apologeten der "Frankfurter" wie Alfons Söllner versuchten vor allem Kirchheimers Nähe zu Schmitt in Abrede zu stellen. Hingegen setzte sich in der angelsächsischen Welt, wo man akzentuiert, daß Kirchheimers sozialistische Ordnung mit "Schmitts totalem Staat" konvergiere, eher Kennedy durch, die ihre Position im Opus über "Carl Schmitt in Weimar" (Durham 2004) bekräftigte. Der akademische "Auswanderer" Riccardo Bavaj, einst in Bonn, nun in Schottland forschend, nimmt sich dieses Disputs in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte (1/2007) erneut an. Sein Befund lautet, daß Kirchheimers Parlamentarismuskritik 1932 im krassen Gegensatz zu sozialdemokratischen Staatsdenkern wie Hermann Heller kein Interesse mehr bekundete, den "bürgerlichen Zerfallsprozeß" Weimars durch fadenscheinige "Reformen" aufhalten zu wollen.

 

Vom uneinheitlichen Menschenwürdebegriff

Baden-Baden. Fällt die "Menschenwürde" in die Hände philosophierender Juristen, muß zwangsläufig ein babylonisches Stimmengewirr herauskommen wie im letzten Heft der Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (4/2006). Daß das FDP-Urgestein Burkhard Hirsch dabei über die Grundrechte im Raum der Europäischen Union reflektiert, vereinfacht die Thematik nicht. Felix Ekardt sieht die "Embryonendebatte auf verfassungsrechtlichen Abwegen", während Privatdozent Jörn Arens verzweifelt auf die Wendung von Theodor Heuss zurückgreifen muß, der in der "Menschenwürde" nicht mehr sah als eine "nicht interpretierte These".

 

Erste Sätze

Sehr geehrter Herr Hielscher! Können wir wegen der Wohnungsangelegenheit miteinander in Fühlung bleiben?

Ernst Jünger - Friedrich Hielscher, Briefe 1927-1985, Stuttgart, 2005


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