© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/07 02. März 2007

Überraschende Wende
Geschichtspolitik: Im Streit um einen Straßennamen läßt die Kieler CDU die Anwohner im Stich
Jochen Arp

Am Rand der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, nicht weit vom Ostufer der Förde, liegt der Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf. Dort finden sich einige in den dreißiger Jahren gebaute Straßen, die nach deutschen Kolonialpionieren benannt sind, etwa Franz Adolf Lüderitz, Gustav Nachtigal, Hermann von Wissmann und Carl Peters, dem das Reich die Kolonie Deutsch-Ostafrika verdankte.

Vor allem die nach Peters benannte Straße dürfe so nicht weiter heißen, denn, so erfuhren die überraschten 140 Anwohner, Peters sei nicht nur ein „Kolonialist“ gewesen, sondern auch ein „rassistischer Ausbeuter Afrikas“, der die schwarze Bevölkerung als „Untermenschen“ ansah. Angeblich habe er seinerzeit den Namen „Hänge-Peters“ gehabt, weil er seine schwarze Geliebte habe aufhängen lassen. Aus diesen Gründen sei er unehrenhaft aus dem Reichsdienst entlassen worden.

Dies alles machte die SPD-Fraktion in der Kieler Ratsversammlung publik und wurde dabei von den Kieler Nachrichten kräftig unterstützt. Was sollten afrikanische Besucher von Kiel denken, wenn sie auf das entsprechende Straßenschild stießen?

Bürger stimmen gegen Umbenennung

Kiel wird zur Zeit von einem Bündnis von CDU und Grünen regiert; die oppositionelle SPD nutzt jede Gelegenheit, die seltsame Koalition zu spalten. So brachte sie in der Ratsversammlung den Antrag ein, die Carl-Peters-Straße umzubenennen. Die CDU-Fraktion lehnte ab.

Vergeblich wartete man auf eine inhaltliche Auseinandersetzung, denn die Vorwürfe halten einer historischen Nachprüfung nicht stand. Sie stammen aus der Kiste der britischen Propaganda des Ersten Weltkrieges. Tatsächlich wurde Carl Peters aufgrund einer Intrige und einer SPD-Kampagne 1897 entlassen. Verschwiegen wird indes, daß er später freigesprochen und in alle seine Rechte wieder eingesetzt wurde.

Die Stadt Kiel befragte schließlich die Anwohner: Eine deutliche Mehrheit lehnte eine Umbenennung ab. Doch dann gaben die Grünen dem Druck ihrer Basis nach – und die CDU kam in die Bredouille. Sie hatte nämlich vorher öffentlich verlautbart, daß sie ihre Entscheidung vom Votum der betroffenen Anwohner abhängig machen werde.

Es dauerte nur wenige Tage, bis die CDU erneut bewies, daß sie nicht kampagnenfähig ist. Sie gab klein bei und ließ in der Zeitung bekanntgeben, daß bei der nächsten Ratssitzung am dritten Donnerstag im März die CDU gemeinsam mit den Grünen den Antrag auf Umbenennung der Carl-Peters-Straße in Albert-Schweitzer-Weg einbringen werde – gegen den erklärten Willen der Anwohner.

Damit dürfte der Weg frei sein für weitere Aktionen linker Aktivisten gegen die nach den Kolonialpolitikern Nachtigal, von Wissmann und Lüderitz benannten Straßen. Die CDU, soviel scheint festzustehen, wird wieder dabeisein.


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