© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Wie eine Schar Lemminge
Bundeswehr: Trotz der Entscheidung des Bundestages, Tornados nach Afghanistan zu schicken, nimmt der Druck der Verbündeten zu
Paul Rosen

Mit dem Einsatz von sechs Tornado-Aufklärungsflugzeugen will sich die Berliner Regierung noch einmal aus der direkten Kriegsbeteiligung in Afghanistan herauswinden. Das dürfte nur zeitweilig gelingen. Denn der Druck der Verbündeten in der Nato, deutsche Kampftruppen an die Front im Süden und Osten des Landes zu holen, wird immer stärker. Möglicherweise wird die Große Koalition in Berlin deshalb im Herbst vor ihrer Existenzfrage stehen.

Noch grenzt sich das vom Bundestag genehmigte Mandat klar von der Beteiligung an Kriegshandlungen ab. Die Tornado-Flugzeuge sollen nur den Luftraum überwachen und Bilder machen, aber nicht an der Bekämpfung von Taliban-Stellungen teilnehmen. "Dies dient dem Schutz der Isaf-Soldaten in ganz Afghanistan und damit direkt dem Schutz der deutschen Soldaten, aber auch der im Lande eingesetzten zivilen Helfer und der afghanischen Bevölkerung", heißt es in dem Antrag der Bundesregierung zur Begründung des Einsatzes. Tatsächlich hatte die Bundeswehr-Führung selbst bereits im vergangenen Jahr Tornados zur Aufklärung in Nord-Afghanistan, dem Schwerpunkt der deutschen Stationierung, angefordert. Dies war vom Ministerium als unverhältnismäßig abgelehnt worden. Doch jetzt haben sich die Verhältnisse geändert. Die Bundesregierung sieht sich auf jedem Nato-Treffen den Fragen der Verbündeten ausgesetzt, warum sie ihre Soldaten nur im relativ ruhigen Norden stationiert und keine Einheiten für "heiße" Regionen abstellt.

In den Regierungsfraktionen Union und SPD und auch in der Bundeswehr heißt es bereits seit Wochen unter der Hand, daß die Nato ihren Einsatz in Afghanistan umstrukturieren will. Bereits weitgehend aufgehoben wurde die Trennung zwischen dem Wiederaufbaumandat Isaf, zu dem die Bundeswehr gehört, und der "Operation Enduring Freedom" (OEF), die unter amerikanischer Führung Anti-Terror-Operationen durchführt. Die Führungskörper beider Missionen sind teilweise identisch. Deshalb ist es auch ein kaum haltbares Versprechen der Bundesregierung, die von den Tornados der Luftwaffe gewonnenen Informationen nur sehr zurückhaltend weitergeben zu wollen. Die Tornados werden von Isaf angefordert. Und was Isaf erfährt, weiß auch OEF.

Einsätze im Süden sind nur begrenzt möglich

Aber die Nato drängt zusätzlich darauf, die Einteilung Afghanistans in mehrere Zonen, in denen jeweils verschiedene europäische und amerikanische Armeen die Verantwortung haben, aufzuheben und ganz Afghanistan und damit auch alle dort stationierten Streitkräfte zu einer Einheit zusammenzufassen. Dann könnte sich die Bundeswehr einer Anforderung zum Kampfeinsatz nicht mehr entziehen. Das Isaf-Mandat des Bundestages für die eingesetzten Landstreitkräfte der Bundeswehr (knapp 3.000 Mann), das eine Beschränkung auf die Hauptstadt Kabul und den Norden vorsieht, müßte geändert werden. Denn Einsätze im Süden sind nach heutiger Mandatslage nur sehr begrenzt und allenfalls zur kurzfristigen Unterstützung der Alliierten möglich.

Es gab in den vergangenen Tagen in Berlin ein hochinteressantes Dementi: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte, es bestehe keine Absicht und kein Anlaß, ein Wiederaufbauteam (PRT) der Bundeswehr im Süden von Afghanistan zu stationieren. Eigenartigerweise war eine solche Forderung von keinem Berliner Politiker erhoben worden. Der Druck kommt aus dem Ausland, vor allem aus dem Nato-Hauptquartier in Brüssel und aus Washington.

Man muß sich das Abstimmungsergebnis am vergangenen Freitag im Bundestag zum Tornado-Beschluß genau ansehen und erfährt daraus, wie es um die Koalition steht. Die Union zeigte sich geschlossen wie eine Schar Lemminge, wenn man von den Abgeordneten Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU) sowie einigen fehlenden Mandatsträgern absieht. Aber in der SPD sahen sich nur noch 133 Abgeordnete in der Lage, dem Einsatzantrag zuzustimmen. 69 Sozialdemokraten waren dagegen, 18 beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Das heißt, gerade noch 60 Prozent der SPD-Abgeordneten stimmten dem Mandat zu, obwohl es Kampfeinsätze eindeutig ausschließt. Wenn man die Ja-Stimmen aus den Fraktionen der FDP und der Grünen zu dem Einsatz unberücksichtigt läßt, kam die Große Koalition aus eigener Kraft nur noch auf 336 Stimmen, gerade 28 Stimmen mehr als die so genannte Kanzlermehrheit.

Bundesregierung droht "Stunde der Wahrheit"

Gauweiler und Wimmer hatten mit ihrem Antrag beim Bundesverfassungsgericht gegen den Tornado-Beschluß keinen Erfolg. Schon formal stand die Klage auf wackligen Beinen, weil sie nicht von einer Fraktion, sondern nur von einzelnen Abgeordneten eingereicht wurde. Genau mit diesem formalen Hinweis schmetterte Karlsruhe die Klage ab. Und in der Vergangenheit hatten sich alle deutschen Gerichte nicht weiter von der Tatsache beeindrucken lassen, daß der Angriff auf Jugoslawien mit Beteiligung deutscher Tornados nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen genehmigt und damit völkerrechtswidrig war. Die Hürde Verfassungsgericht konnte die Bundesregierung daher überspringen (JF 7/07).

Aber spätestens am 13. Oktober schlägt für die Regierung Merkel die Stunde der Wahrheit: Dann laufen Isaf- und Tornado-Mandat aus und müssen zu einem neuen, gemeinsamen Mandat zusammengefaßt werden. Bis dahin dürfte der Druck der anderen Nato-Länder erheblich wachsen, und die Zonen-Aufteilung in Afghanistan könnte gefallen sein. Eine Zustimmung der SPD zu einem Kampfmandat gilt als völlig ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten könnten sich in einem solchen Fall zur Friedenspartei aufschwingen, die Union im Regen stehen lassen und die proamerikanische Merkel damit stürzen. Schon 2002 gewann die SPD mit einem "Friedenswahlkampf" gegen den Irak-Krieg die Bundestagswahl. Merkels Schicksal könnte sich am Hindukusch entscheiden.


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