© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

Zeitschriftenkritik: Gegengift
Plädoyer mit dem Holzhammer
Thorsten Thaler

Mit Vorschußlorbeeren bedacht (JF 3/07), sind inzwischen wieder drei neue Hefte der vorübergehend eingestellten konservativen Zeitschrift Gegengift erschienen. Kamen die beiden Februar-Ausgaben unter anderem mit Beiträgen zur CSU, der Großen Koalition, Gazprom und der Zukunft des Abendlandes, dem Tornado-Einsatz in Afghanistan, der Debatte um die Freilassung von RAF-Gefangenen, der Wiederbelebung des sozialdemokratischen Vorwärts und einem Nachruf auf Uwe Nettelbeck noch recht beschaulich, gefällig und (nahezu) widerspruchsfrei daher, hat es die erste März-Ausgabe in sich. Neben Aufsätzen über die Versozialdemokratisierung der CDU und zur Debatte um Kinderkrippen, einer längeren Besprechung des Magazins Vanity Fair sowie einem Nachruf auf Herbert Reinecker hält das Heft auch einen echten Aufreger bereit: Unter der gewollt historische Analogien ziehenden Überschrift "Germans to the front" plädiert Gegengift-Herausgeber Michael Ludwig mit Inbrunst dafür, daß Deutschland als Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses im Krieg mit dem "fanatischen Islam" endlich "seine Truppen von den Ketten" lassen und sie "in ausreichender Stärke in die Schlacht" werfen müsse.

Fast schon zornig und jedenfalls polemisch beschwert sich Ludwig über die Ungerechtigkeit, daß Amerikaner, Kanadier und Briten in Afghanistan ihr Blut vergießen und "ihre toten Kameraden in Zinksärgen nach Hause" schicken, während Bundeswehrsoldaten im Norden des Landes "friedlich Kohlrabi ziehen und hin und wieder eine undichte Wasserleitung reparieren". Die politische Klasse in Berlin nehme es billigend in Kauf, so Ludwig weiter, daß die Nato, "das Sicherheitsbündnis, das gerade uns Deutschen über Jahrzehnte hinweg Frieden und Stabilität beschert hat, langsam, aber sicher vor die Hunde gegen wird". Bundeskanzlerin Merkel, ihre Verteidigungs- und Außenminister seien dabei, "die im letzten Jahr so mühsam reparierte deutsch-amerikanische Freundschaft wieder zu demontieren". Deutschland verstecke sich, "wenn es ihm opportun erscheint, noch immer hinter der Ausrede, daß wirkliche Macht nicht aus Gewehrläufen kommt, sondern von den Pumpstationen der Moral". Dabei gehe es doch um "die Verteidigung unserer ureigensten Interessen und um eine sichtbare Solidarität mit unseren Freunden". Um es mit einem abgewandelten Spruch von Max Liebermann zu sagen: Ich kann gar nicht so viel lesen, wie ich kotzen möchte.

Kein Gedanke bei Ludwig daran, daß die Nato sich mit ihrer Wandlung von einem Verteidigungs- zu einem Angriffsbündnis selbst in Frage gestellt hat; keine Erörterung, um welche deutschen Interessen es sich wohl handeln mag, die am Hindukusch vorgeblich verteidigt werden; keine Reflexion geostrategischer Absichten der USA in dieser Region; schließlich auch kein historisches Gedächtnis dafür, wie es der sowjetischen Militärmaschinerie in einem elenden Abnutzungskrieg in Afghanistan ergangen ist.

Nein, so meinungsstark das Plädoyer von Ludwig daherkommt, so sehr bleibt der Beitrag unter seinen intellektuellen Möglichkeiten und Erfordernissen. Daß sich weiter hinten im Heft die Selbstcharakterisierung findet, Gegengift wolle schreiben "ohne nach dem Holzhammer zu greifen, ohne die Windmaschinen anzuwerfen, um uns mächtig aufzuplustern", wirkt deshalb unfreiwillig komisch. 

Gegengift-Verlag, Gerstenstraße 2, 85276 Pfaffenhofen. Der Einzelpreis beträgt 2,50 Euro, das Jahresabonnement für 24 Hefte kostet 60 Euro.


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