© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/07 16. März 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Ausbürgerung
Karl Heinzen

Da es so viele Sachzwänge gibt und die Agenda der Gesetzgebung sowieso im wesentlichen aus Brüssel vorgegeben wird, ist der Gestaltungsspielraum deutscher Parlamentarier sehr gering. Wollen sie sich dennoch nicht dem Müßiggang hingeben, steht ihnen letztlich nur die Symbolpolitik als ein allerdings sehr weites Betätigungsfeld offen. Zeichen setzen, Impulse geben, zum Nachdenken anregen: Hierzu gibt es immer irgendeinen mehr oder weniger passenden Anlaß.

Besonders beliebt sind dabei unverändert Initiativen wider das Vergessen. Da es so viele Gedenkangebote gibt, ist es allerdings schwierig, sich in der Auseinandersetzung mit der einstmals jüngsten deutschen Vergangenheit noch ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Ein Erfolg könnte hier aber durchaus der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Isolde Saalmann beschieden sein. Die SPD-Politikern will nämlich nicht nur mahnen, sondern handeln: Ihr Ziel ist es, daß Adolf Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft, die ihm 1932 unter dubiosen Umständen im vormaligen Freistaat Braunschweig verliehen wurde, endlich aberkannt wird.

Kritik an der Initiative melden insbesondere Juristen an. Eine postume Aberkennung der Staatsbürgerschaft, so ihr Einwand, sei eigentlich nicht möglich. Zudem verbiete das Grundgesetz eine Ausbürgerung, sofern der Betroffene dadurch ein Staatenloser würde. Genau dies wäre aber bei Hitler der Fall, da er seine österreichische Staatsbürgerschaft schon 1925 abgelegt hat.

Über diese rechtlichen Probleme hinaus gilt es aber auch, verantwortungspolitische Implikationen zu bedenken. Sicherlich könnte durch die Ausbürgerung Hitlers symbolisch zum Ausdruck gebracht werden, daß sich die Bundesrepublik Deutschland von der durch ihn geschriebenen Geschichte ohne Wenn und Aber distanziert.

Allerdings bestünde auch die Gefahr, daß die Geste mißverstanden wird: Es könnte der Eindruck entstehen, daß die Deutschen sich ihrer historischen Last zu entledigen versuchten. Schon in der Tätergeneration kursierte halb ernsthaft, halb als Scherz das Bonmot, Hitler sei ja eigentlich ein Ausländer gewesen. Muß dieser billige Entlastungsversuch nun wirklich seinen juristischen Segen erhalten? Welche Folgerungen sollten zudem aus der intendierten Staatenlosigkeit Hitlers gezogen werden? Daß kein Volk die Verantwortung für seine Verbrechen trägt? Oder daß alle Völker und Menschen eine Schuld trifft?

Hier bewegt man sich doch hart der Grenze dessen, was strafrechtlich noch toleriert werden kann.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen