© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Der Nebel über der Bankenlandschaft
DIW-Studie: Das deutsche Dreisäulensystem im Kreditwesen steht national wie international unter Druck
Wilhelm Hankel

In ihren Banken spiegelt sich die Lage und die Zukunft jeder Volkswirtschaft wider. Joseph A. Schumpeter, der neben John Maynard Keynes einflußreichste Ökonom des vorigen Jahrhunderts, war sogar der Meinung, die Banken seien die "Ephoren" der modernen Marktwirtschaft. Ephoren, das waren im antiken Sparta jene Kontrolleure, denen sogar die Könige Rechenschaft schuldeten.

Doch was wird aus solchen, wenn sich ihr Kontrollobjekt auflöst "wie Zucker im Tee", eine Metapher, die der frühere Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, Karl Schiller (SPD), gebrauchte, um das Aufgehen der D-Mark im Euro zu illustrieren. Dasselbe widerfährt den deutschen Banken: Ihr Arbeitsgebiet (und Kontrollobjekt), die deutsche Volkswirtschaft, verflüchtigt sich im globalen All, einem vaterlandslosen Niemandsland zwischen guten Geschäften und halsbrecherischer Spekulation. Was wird aus Banken, die ihre Aufgabe verlieren oder aufgeben?

Dieser Frage sind Ökonomen des Deutschen Wirtschaftsinstitutes (DIW) in Berlin nachgegangen. Die gut dokumentierte Antwort läßt alle - die Forscher, die Leser und die Untersuchten - gleichermaßen ratlos zurück. Die gute deutsche Bankenordnung, ruhend auf den drei Säulen: öffentlich-rechtliche Sparkassen, genossenschaftliche Volks- und Raiffeisenbanken und Privatbanken, zerbröselt - wie ihre Säulen.

Verdächtig uniforme Kreditkonditionen

Was weltweit einmal als Muster einer ausgewogenen, den unterschiedlichen Interessen der Volkswirtschaft dienenden Bankenstruktur und -kultur bewundert wurde und zur Nachahmung inspirierte, präsentiert sich nur noch als Torso. Zwar sind die drei Säulen noch sichtbar in der Bankenlandschaft wahrzunehmen, doch ihr einst voneinander differierender Stil ist kaum noch zu erkennen. Vom für den Kunden vorteilhaften Gruppen-Wettbewerb ist kaum etwas übriggeblieben.

Die Kreditkonditionen, obwohl nicht abgesprochen (denn dergleichen wäre kartellrechtlich verboten), sind verdächtig uniform geworden, und die früher getrennten Kunden- und Aufgabenfelder überlappen sich. Alle drei Gruppen sind zu Hause mit denselben Angeboten an denselben Märkten für dieselben Kunden tätig. Nur im globalen Auslandsgeschäft trennen sich deutlich ihre Wege. Die neue spekulative Scheinwelt an den internationalen Großmärkten der Finanzen ist die Champions League der Privatbanken. Dort spielen sie Exklusiv-Fußball unter sich mit Investment banking, Firmenan- und -verkauf, Aktien- und Währungsspekulation direkt oder über ihre Töchter bzw. Fonds. Doch was hat ihnen das Milliardenspiel ohne Grenzen eingebracht?

Die DIW-Forscher wundern sich zu Recht über die im internationalen Vergleich armseligen Marktanteile und Renditen von Deutschlands größten Privatbanken. Im Weltmaßstab (dem einzigen, der unter ihresgleichen zählt) schrumpfen die deutschen Bankriesen zu Pygmäengröße. Die Deutsche Bank, unter Hermann Josef Abs die Nummer eins in Deutschland und Europa und unter den Big Five der Welt, ist inzwischen (laut dem Fachblatt The Banker 2006) auf Platz 23 abgerutscht. Die anderen muß man unter "ferner liefen" suchen. Was ist daraus zu folgern: daß sie, gemessen an diesem Abstieg, die falsche Strategie verfolgen oder daß Joe Ackermanns Gehalt zu hoch ist?

Dagegen hat der Sparkassensektor das böse Foul aus Brüssel erstaunlich gut verkraftet. Als sich der Sektor gegen die Anwürfe der Privatbanken zur Wehr setzen mußte, marschierten Landesbanken und Sparkassen getrennt zur Schlacht und verloren sie gemeinsam. Doch daran lag es nicht. Die EU, obwohl für Strukturhilfen in ganz Europa zuständig und schlecht bei Kasse, erwärmte sich nicht für die Sparkassen-Philosophie der regionalen Kreditversorgung ohne Rücksicht auf maximale Profite und den shareholder value. Sie befand ebenso falsch sowie fatal: Der Gleichheitsgrundsatz unter Banken rangiere vor dem Einsatz für das öffentliche Wohl und die "subsidiäre" Unterstützung politisch förderungswürdiger Ziele. Caio Koch-Weser, der eigentlich zur Argumentationshilfe für die staatsloyalste Bankengruppe abgestellte Finanzstaatssekretär der rot-grünen Bundesregierung, plädierte für die Kapitulation der Sparkassen. Anschließend wechselte der ehemalige Weltbankdirektor als Vice Chairman über in den Vorstand der Deutsche Bank Group. Inzwischen zeigt sich jedoch: Der Verlust der Gemeinnützigkeit, staatlicherseits honoriert mit Ausschluß des Insolvenzrisikos, ist den Instituten besser bekommen als ihren Kunden. Die Institute verdienen, die Kunden im regionalen und kommunalen Sektor zahlen mehr!

Der Markt entscheidet, wie es weitergeht

Ziemlich steril geht es bei der kleinsten Gruppe, den Volks- und Raiffeisenbanken, zu. Zwar konnte sie die Zahl ihrer Zentralkassen bis auf zwei reduzieren; doch zwei bekämpfen und blockieren sich stärker als vier oder fünf. Das Geschäft mit der Wiederaufforstung des mitteldeutschen Agrarsektors, der einstigen Kornkammer des Deutschen Reiches, hat sich das Spitzeninstitut der Gruppe gründlich vermasselt. Die Übernahme der alten DDR-Mark-Kredite auf D-Mark und jetzt auf Euro zu West-Konditionen kam einem zweiten Bauernlegen gleich; die Bauernbefreiung aus den erzwungenen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wurde dadurch zur Farce. Bauern, die heute höher verschuldet sind als zu DDR-Zeiten, nehmen sich ihren Halsabschneider nicht zur Hausbank.

Die DIW-Studie kommt zu dem Schluß: Die Strukturreform im deutschen Bankwesen ist überfällig. Doch woher soll sie kommen? Deutschlands zentrale Geldinstanz, die Bundesbank, ist zur Außenstelle der Europäischen Zentralbank (EZB) und einem besuchenswerten Geldmuseum degradiert. Das Bundesfinanzministerium übt seine bankpolizeilichen Kompetenzen über eine Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus, die sich in Basler Seminaren von den zu kontrollierenden Privatbanken beraten läßt.

Die Wissenschaft erwartet von der Bundesregierung, daß sie etwas tut, sagt ihr aber nicht, was. Die Bundesregierung erwartet von der Wissenschaft Konzepte, die diese nicht hat. Also entscheidet der Markt, wie es weitergeht. Der Nebel über der Bankenlandschaft wird sich so bald nicht aufhellen.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel lehrt seit 1967 Währungspolitik an der Universität Frankfurt am Main. Er war unter Karl Schiller Chef der deutschen Bank- und Versicherungsaufsicht.

Die Studie "Zukunft des deutschen Bankensektors" (Vierteljahrsheft des DIW Berlin 4/2006) ist für 55 Euro im Internet als pdf erhältlich: www.diw.de/deutsch/produkte/publikationen/ vierteljahrshefte/jahrgang06/index.jsp

Foto: Deutsche Bank in Tokio: Nur noch auf Platz 23 in der Weltrangliste


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