© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Lebendige Anteilnahme
Eine Ausstellung in Köln erinnert an die Lebensleistung Joseph Kardinal Höffners
Manfred Müller

Er war einer der führenden katholischen Theologen und Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts und einer der größten Oberhirten des Erzbistums Köln in den letzten 200 Jahren: Joseph Kardinal Höffner. Die Deutsche Post widmete ihm zum hundertsten Geburtstag eine Briefmarke mit seinem bischöflichen Wahlspruch: "Justitia et caritas" (Gerechtigkeit und Liebe). In Köln befaßte sich kürzlich ein Zeitzeugen-Colloquium mit Höffner, und im Kölner Maternus-Haus sorgt derzeit eine Ausstellung dafür, daß die Lebensleistung des zurückhaltend-bescheidenen, tieffrommen, hochintelligenten und überaus fleißigen Priesters und Wissenschaftlers in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt wird. Noch nie waren Andenken und Dokumente aus Höffners Leben in dieser Fülle zu sehen. Höffners Nachfolger, Kardinal Meisner, hält es für möglich, daß schon bald ein Seligsprechungsverfahren für Höffner eingeleitet werden könnte.

Als Höffners Standardwerk gilt die "Christliche Gesellschaftslehre" (1962), die immer wieder Neuauflagen erlebte und in viele Sprachen übersetzt wurde. Viel Kundiges kann man den Ansprachen, Reden, Aufsätzen, Hirtenbriefen und Büchern Höffners entnehmen: über eine gerechte Sozialordnung, über die Weltverantwortung des Christen, über die Grundlagen und Konkretisierungen der christlichen Soziallehre und natürlich über katholische Spiritualität. Als "Priester in der permissiven Gesellschaft" gab er den Menschen Halt in einer Zeit der Kulturrevolution und der Umwertung herkömmlicher Moralvorstellungen. Höffners Lebenserfahrung: Richtig sei fast immer das Unzeitgemäße und nicht der Konformismus. Entsprechend heftig waren die Angriffe auf Höffner, vorgetragen von Zeitgeist-Christen und Kirchengegnern.

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verlieh Höffner postum die Auszeichnung "Gerechter unter den Völkern". Höffner hatte im Zweiten Weltkrieg, ohne je davon Aufhebens zu machen, durch persönliches Engagement Juden vor dem Zugriff von Rassefanatikern bewahrt. Nonkonformistisch war Höffner schon 1937 in seiner Dissertation "Bauern und Kirche im deutschen Mittelalter" gewesen. Im Vorwort schrieb er: "Unter Rassen und Völkern, die kommen und vergehen, weiß sich die Kirche frei und unabhängig, denn ihr tiefstes Sein ist weder jüdisch noch römisch oder griechisch; es ist nicht arisch, nicht mongolisch, nicht afrikanisch. Es ist göttlich."

Als es in der Bundesrepublik Deutschland schon fast zum guten Ton gehörte, Werte wie Heimat, Volk, Nation, Vaterland zu bespötteln oder zynisch zu zersetzen, scheute sich Höffner nicht, auch in diesem Bereich klare Richtweisungen zu geben. Höffner ging von einem anspruchsvollen Nationsbegriff aus, wonach die Nation "das in den ererbten Überlieferungen verwurzelte Volk als Träger einer besonderen Kulturidee" ist. Dem Bischof mißfiel sehr, daß vielerorts Vaterlandsschelte an die Stelle von Vaterlandsliebe getreten war. 1985 forderte er die Katholiken eindringlich auf, Vaterlandsliebe zu praktizieren. Vaterlandsliebe bedeute, auch tiefen Schmerz zu empfinden "über die Flecken, die das Bild, das wir von ihm (dem Vaterland, M.M.) im Herzen tragen, beschmutzen". Vaterlandsliebe sei weder Nützlichkeitserwägung noch bloßes Gefühl. Ihr Wesenskern: als "sittliche Pflicht lebendige Anteilnahme am Wohl und Wehe des Volkes". Sie bedeute Treue auch in Zeiten von Leid und Not.

Vaterlandsliebe läßt sich durchaus mit einem Europa-Bewußtsein verbinden, wie Höffner 1987 betonte: "Einheit heißt nicht Gleichschaltung Europa ist voller Vielfalt. Viele Kräfte haben an Europa mitgebaut: die griechische und die römische Antike, die romanischen, germanischen, slawischen und keltischen Völker. Das Christentum jedoch hat Europa mit seinem Geist durchtränkt und als einheitsstiftende Kraft gewirkt."

Was Höffner letztlich bei seinen Stellungnahmen zur Politik antrieb, war angesichts des Wettrüstens, des Ost-West- Gegensatzes und der Nord-Süd-Konflikte die Sorge um den Frieden zwischen den Völkern im atomaren Zeitalter. Er hoffte auf das Entstehen eines allgemeinen Friedensbewußtseins, durch das die Rechte aller Völker "auf Existenz, auf Freiheit, auf Unabhängigkeit, auf eigene Kultur und auf eine echte Entwicklung" (so von Papst Johannes Paul II. 1979 formuliert) gesichert werden. Unter dem Druck der Globalisierung und angesichts der Tendenzen zur ethnischen Umwandlung und zur Selbstauflösung der deutschen Nation sollten vaterlandsliebende Deutsche gerade darüber intensiv nachdenken.

Die Ausstellung in der Erzb. Diözesan- und Dombibliothek zu Köln, Kardinal-Frings-Straße 1-3, wird noch bis zum 30. März gezeigt. Tel. 02 21 / 16 42 37 81

Foto: Joseph Kardinal Höffner 1982 auf dem Katholikentag in Düsseldorf: Der aus dem Westerwald stammende Bauernsohn Höffner (1906-1987) war zweifacher Doktor der Theologie, Doktor der Wirtschafts- und Staatswissenschaften und Diplom-Volkswirt. Er galt als sozialpolitischer Experte, war Berater mehrerer Bundesministerien und arbeitete zahlreiche Gutachten aus. Dieser Gelehrte konnte sich nicht nur in Fachkreisen, sondern auch gegenüber dem Kirchenvolk klar und verständlich ausdrücken.


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