© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/07 23. März 2007

Dünne Suppe aus der "Antworten"-Kantine
Mit seiner Replik auf Bernhard Bueb beweist Micha Brumlik, daß Tiefpunkte der bundesdeutschen Diskurskultur immer noch unterschritten werden können
Ellen Kositza

Es wäre mal an der Zeit, daß sich das dialektische Prinzip in den Regal-Kategorien der Buchhandlungen niederschlüge. Die Gegenmeinungen boomen. Wen wundert es noch, daß diese "Antworten auf ..." - so dürfte sich eine solche Rubrik nennen - eigentlich ausnahmslos aus der Feder der progressiven Schreiberzunft stammen? Was wurde nicht an Munition verfeuert, die - jeweils ausdrücklich und namentlich - gegen mehr oder minder konservative Vordenker wie Eva Herman, Frank Schirrmacher, Udo di Fabio oder Peter Hahne gerichtet war?

Die anvisierten Autoren eint nicht nur der beklagte "reaktionäre" Grundton ihrer Schriften, sondern mehr noch ihre beachtlichen Verkaufsquoten. Jenen Scharfschützen wiederum ist gemein, daß es in der Regel Schnellschüsse mit geringer Trefferquote sind, die sie abfeuern. Die gegen Bernhard Buebs "Lob der Disziplin" (JF 41/06) gerichteten "Antworten der Wissenschaft", wie sie sich seriositätsheischend nennen, reihen sich hier ganz ordentlich ein. Das dezente Schwarz-Rot-Gold, in dem der Buchtitel daherkommt, soll möglicherweise den angestrebten quasi-amtlichen Duktus des Werks unterstreichen. Bueb, ehemaliger Internatsdirektor der Eliteschule Salem, hatte mit seiner Eloge auf die berüchtigten Sekundärtugenden Autorität, Gehorsam und Fleiß einen Gemeinplatz in der breiten Sitzreihe des sogenannten gesunden Menschenverstands eingenommen.

Nicht eben populistisch, so doch populär las sich sein lebenskluges Plädoyer für eine Pädagogik, die mit Hierarchien und nötigenfalls auch Sanktionen arbeitet. In der FAZ, die Bueb ein großflächiges Forum bot, durfte bereits einer seiner jungen (Muster)-Schüler per altklugem "Ja, aber" antworten.

Und nun also "die Wissenschaft". Als Herausgeber fungiert hier der stets auf seine jüdische Herkunft abhebende Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik. Brumlik, Lehrstuhlinhaber in Frankfurt am Main und ebendort bis 2005 Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung des Holocaust, klagt an: Bueb, dieser "völlig unbekannte" Lehrer aus der "Provinz", huldige einem "von keinem Anflug demokratischen Denkens beeinträchtigten Autoritarismus". Ihm - und seinen Konsorten - sei gewissermaßen zu verdanken, daß achtzig Prozent der Insassen heutiger Jugendgefängnisse männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund seien. Die nämlich seien "auf dem Boden von Milieus (also: Buebschen Lebenswelten, E.K.) erzogen, die sich weder für Theorie und Praxis antiautoritärer Erziehung noch für eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus interessierten".

Ferner sei bewiesen, daß sowohl das mehrgliedrige Schulsystem als auch autoritäres Lehrverhalten für die heutige Bildungskatastrophe verantwortlich seien: Da wundert es kaum, daß Brumlik als reaktionäres Idol Buebs "Cortes Donoso" ausmacht, jenen antiliberalen spanischen Staatsphilosophen, der tatsächlich Donoso Cortés hieß - nur eine der fahrigen Nachlässigkeiten, die Brumliks Aufsatz durchziehen.

Wer den Eiferer Brumlik kennt, dem bleibt jede Überraschung erspart. Seine Kritik kann man ebenso einordnen wie etwa die des emeritierten Tübinger Professors Hans Thiersch - der in einem hoffnungslos verquasten und redundanten Aufsatz Buebs Vernachlässigung "neuer Ansätze zur Erziehungspartnerschaft" beklagt - oder die der ehemaligen Brumlik-Assistentin Sabine Andresen (huch: ist ja auch bereits Professorin!), die bei Bueb vor allem erziehende Frauen auf der Anklagebank sitzen sieht.

Was aber macht Wolfgang Bergmann in der Reihe der empörten Anti-Buebs? Der rührige Kinder- und Familienpsychologe, dessen Bücher zum "Drama des modernen Kindes" und ähnlichem Themenkreis uneingeschränkt empfehlenswert sind, greift hier völlig daneben. Vor allem der despektierlich-hämische Ton macht da die Musik.

Wollte man die Tastatur entsprechend anschlagen, müßte man fragen, ob der Autor seinen Beitrag beschwipst verfaßt hat, oder ob der Lektor - ja, gab es denn überhaupt ein Lektorat? - blind war. Laut Bergmann spricht aus Bueb eine "geschwächte Seele". Er sei unsicher, ängstlich, weich und komme daher mit "spießig-korrekter" Anmutung daher. Im persönlichen Gespräch mit Bueb sei Bergmann "beinahe eingenickt", bei der Lektüre seines Buches dagegen "vor Lachen beinahe aus dem Flugzeug gefallen".

Wissenschaftliche Antworten auf Bernhard Bueb: Selten so gelacht.

Micha Brumlik (Hrsg.): Vom Mißbrauch der Disziplin. Antwort der Wissenschaft auf Bernhard Bueb. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2007, broschiert, 180 Seiten, 12,90 Euro.


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