© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Gummistiefel statt Tropenschuhe
Bundeswehr: Schwerwiegende Ausrüstungsmängel und desolate Unterkünfte / Bericht des Wehrbeauftragten
Paul Rosen

Der Bericht des Wehrbeauftragten gleicht inzwischen einem Ri­tual: Die Bundeswehr ist unterfinanziert und stößt an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, ist seit Jahren in den Drucksachen nachzulesen, die der Wehrbeauftragte dem Bundestagspräsidenten überreicht. Konsequenzen werden fast nie gezogen. Statt dessen schickt die Bundestags-Mehrheit deutsche Soldaten in immer neue Auslandseinsätze. Daheim müssen die Soldaten lernen, mit neuen Bedrohungen in ihren Kasernen umzugehen: Überall schimmelt es, Duschen und Waschräume sind unbenutzbar, die Quartiere verwohnt.

Politiker werden allenfalls registrieren, daß die Zahl der Beschwerden von Soldaten an den Wehrbeauftragten Reinhold Robbe (SPD) im vergangenen Jahr bei 5.600 lag und damit im Vergleich zu 2005 um rund 550 zurückgegangen ist. Daraus wird dann vermutlich der falsche Schluß gezogen, daß es der Truppe bessergeht, da sie weniger Anlaß zu Klagen hat.

Auch die seit Jahren von Robbe und seinen Vorgängern erhobenen Forderungen nach einer deutlichen Erhöhung des Verteidigungsetats dürften ungehört verhallen. Angesichts der knappen Kassen des Bundes ist kaum vorstellbar, daß der bei 24 Milliarden Euro (ohne Pensionsausgaben) liegende Wehretat in Zukunft deutlich erhöht wird.

Dabei wäre es höchste Zeit für ein Sanierungsprogramm, um die Mängel in den Kasernen besonders im Westen Deutschlands zu beheben. Seit der deutschen Einheit wurden Millionen in Truppenunterkünfte in den neuen Ländern investiert, um die maroden Kasernen der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR wieder auf Vordermann zu bringen. Ärgerlich war dabei, daß viele gerade sanierte Standorte aufgrund der Truppenverringerung alsbald wieder geschlossen wurden. Millionen wurden in den Sand gesetzt.

Robbe schildert in seinem Jahresbericht einige Fälle unzumutbarer Unterbringung von Soldaten. So wurde beim Jagdbombergeschwader 33 auf dem Nato-Flugplatz Büchel festgestellt, daß die Duschen größtenteils nicht mehr benutzbar, die Abflüsse verstopft waren und die Sanitäreinrichtungen bereits mehrfach geschlossen werden mußten wegen des Befalls mit Legionellen, die zur "Legionärskrankheit" führen können. Für die Totalrenovierung sei kein Geld da, die Probleme könnten allenfalls sukzessive behoben werden.

In der Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst konnte sich Robbe mit eigenen Augen von Schimmelbefall und verschmutzten Unterkünften überzeugen. Viele Soldaten waren in einem Gebäude untergebracht, das seit seiner Errichtung 1962 nicht mehr saniert wurde. In Saarlouis gibt es einen Duschraum mit neun Duschköpfen für 329 Soldaten. Auch die Lehrgangsteilnehmer der Sanitätsakademie seien "derzeit in kaum noch zumutbaren Unterkünften untergebracht", heißt es weiter. Robbes Fazit: "Durch sein Untätigbleiben versagt der Dienstherr in einem Kernbereich seiner Fürsorgepflicht und konterkariert im übrigen jedes Attraktivitätsprogramm."

Der Aussage des Wehrbeauftragten ist nicht zu widersprechen. Gerade Grundwehrdienstleistende wenden sich angesichts der baulichen Zustände in den Kasernen nach neun Monaten Dienst mit Schaudern von der Truppe ab, obwohl viele von ihnen vorher mit dem Gedanken gespielt hatten, sich länger zu verpflichten.

Auch im Auslandseinsatz sind die Zustände keinen Deut besser. Sowohl im Kongo als auch bei einer großen Nato-Übung auf den Kapverdischen Inseln vor Afrika waren Tropenstiefel für die Soldaten der Bundeswehr ausgesprochene Mangelware. Das Verteidigungsministerium reagierte auf Beschwerden mit dem Hinweis, die normalen Stiefel seien geeignet, bei Temperaturen bis 35 Grad sei allenfalls von erhöhter Schweißbildung auszugehen. Die Schweißfüße könnten mit hygienischen Mitteln bekämpft werden, wurden Soldaten von Beamten der Bonner Hardthöhe beschieden. Die Bundesregierung, die in den Verteidigungspolitischen Richtlinien und im neuen Weißbuch die Bereitschaft zu weltweiten Einsätzen der Bundeswehr versichert, hat nicht einmal genug Geld für neue Stiefel ihrer Landser.

Beim Kongo-Einsatz mußten viele Zeltunterkünfte wegen Schimmelbefalls geschlossen werden. Es stellte sich heraus, daß die nach einer europaweiten Ausschreibung mit dem Bau des Lagers betraute spanische Firma mit dem Auftrag überfordert war. Die Zelte waren für den Einsatz in den Tropen völlig ungeeignet. Die sanitären Anlagen waren kaum zu benutzen, die Wäscherei funktionierte nicht, so daß die Soldaten längere Zeit ohne frische Wäsche auskommen mußten. Und die personellen Engpässe beim medizinischen Personal der Bundeswehr führten dazu, daß es für die rund 700 deutschen Soldaten des Einsatzes im Kongo (mit Logistik-Stützpunkt in Gabun) nicht einmal einen Zahnarzt gab.

Ein Schlaglicht auf den gesundheitlichen Zustand der gesamten Jugend wirft der Bericht von Robbe auch. So wurden 40 Prozent der 356.000 gemusterten jungen Männer wegen gesundheitlicher Probleme als nicht wehrdienstfähig eingestuft. Wie sagten doch die alten Römer: Nur in einem gesunden Körper kann auch ein gesunder Geist leben.


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