© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Eine "No na"-Erklärung
Andreas Mölzer

Die groß angekündigte Berliner Erklärung wird vom EU-Establishment der hohen europäischen Politik als Meilenstein der europäischen Integration gepriesen. Dabei enthält das kaum zwei Seiten lange Papier nicht viel mehr als eine Reihe von Allgemeinplätzen - "no na"-Aussagen, wie man in Österreich sagt: Wir sind alle gegen Krieg. Wir sind alle für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Wir sind für Solidarität und Teilhabe. Wir sind für Klimaschutz und gegen Rassismus. Wir sind für die Zurückdrängung von Armut, Hunger und Krankheiten. Europa ist unsere Zukunft - no na.

Interessanter ist diese Ansammlung von frommen Wünschen in Hinblick auf das, was nicht in ihr erwähnt ist. So ist zum Beispiel auffällig, daß das Wort "Volk" oder "Völker" überhaupt nicht mehr vorkommt. Es wird allenfalls von Bürgern und Bürgerinnen gesprochen, von Sprachen und Kulturen - das Volk gibt es aber nicht mehr. Bedenklich ist das auch, weil die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel stammt. Und diese ist bekanntlich in der ehemaligen DDR aufgewachsen, die sich vor 17 Jahren unter den Rufen der Demonstranten "Wir sind das Volk - wir sind ein Volk" aufgelöst hat. Aber das hat die amtierende EU-Ratsvorsitzende offenbar schon vergessen.

Auch auf die drängendsten Fragen der europäischen Gegenwart und Zukunft bleibt die Erklärung beharrlich jede Antwort schuldig: Was soll diese Europäische Union werden? Ein Bundesstaat, ein Staatenbund? Geht es im Europa der Zukunft darum, die europäischen Völker zu erhalten, oder soll es eine europäische Nation, einen europäischen Einheitsbrei geben? All dem weicht diese Berliner Erklärung tunlichst aus.

Und auch auf die Frage, wie weit Europa denn reichen könne. Was zu Europa denn gehöre, bleibt man in Berlin jede Antwort schuldig. In Hinblick auf den drohenden Türkei-Beitritt wäre es angebracht gewesen, einmal die Grenzen Europas zu definieren, wo es denn anfängt und wo es aufhört. Der Mut für diese Definition, die Brüssel den Menschen quer durch Europa längst schuldig wäre, fehlt wiederum.

Natürlich kommt Gott oder das christliche Abendland in dieser großartigen Erklärung mit keinem Wort vor. Angela Merkel, Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union, scheut das Wort Christentum wie der Teufel das Weihwasser. Dafür wird die politisch korrekte Normenklatura brav heruntergebetet. Ganz so, wie es die politische Linke schätzt und immer wieder verlangt: für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit. Für Teilhabe und gegen Diskriminierung. Und so weiter, und so fort.

Alles in allem ist der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit der Berliner Erklärung keine beeindruckende Leistung gelungen. Insgesamt beweist dieses dünne Papier vielmehr, wie ratlos und orientierungslos man in Hinblick auf die europäische Integration geworden ist. Statt entschieden und energisch einen Bund freier und selbstbestimmter Völker und Nationalstaaten anzustreben, der sich in der Welt nach außen hin behaupten kann, träumt man offenbar weiter von einem europäischen Einheitsbrei, der grenzenlos nach allen geographischen Richtungen offen sein soll und im Inneren schrankenlos den Tugendterror der guten Menschen ausgeliefert bleiben muß.

Das ist leider eine eher trostlose Version von Europa.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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