© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/07 30. März 2007

Hauptsache knuffig
Wochenendbeobachtungen: Was der Schriftsteller Günter Grass mit dem Berliner Eisbärbaby Knut zu tun hat
Richard Stoltz

Zwei mediale Großereignisse prägten das letzte mitteleuropäische Wochenende: Knut, das knuffige Eisbärbaby, im Berliner Zoo und Günter Grass, das Waffen-SS-Baby, auf der Leipziger Buchmesse. Kein Kommunikationsteilnehmer konnte den beiden entgehen. Radio Berlin/Brandenburg (RBB) hatte Knut eine eigene Sendung eingerichtet, mit Morgennachrichten und Abendnachrichten; der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) überschlug sich in Sondersendungen über den Literaturnobelpreisträger. Grass am Stand des Steidl-Verlags, Grass in Auerbachs Keller, Grass auf dem Lyrikforum der Leipziger Volkszeitung ...

Beide Seiten zeigten Szenen von überraschender Ähnlichkeit. Beiderseits gab es viel Niedlichkeit, Tapsigkeit, auf beiden Seiten standen die elaborierten Kräfte in eindeutiger Opposition zu dem Geschehen, in Berlin die Tierschützer, in Leipzig die Zeitgeistschützer in Gestalt der Journaille. Das große Publikum ließ sich jedoch nicht einschüchtern, strömte herbei, jubelte, spendete Applaus.

In Leipzig wurde ein bekannter TV-Unterhalter beobachtet, der hektisch darum bemüht war, beide Hypes für seine nächste Sendung zu einem einzigen Riesenknüller zu vereinigen. Erste Sätze der neuen Dokumentation wurden bereits gehandelt: "Beide sollten eingeschläfert werden, Knut mit der ärztlichen, Grass mit der journalistischen Giftspritze. Doch es ist mißlungen!"

Ein Sendetermin steht noch nicht fest. Fest steht aber schon jetzt: Alle guten Menschen lieben Eisbären, sie müssen nur jung oder alt genug sein.


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