© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Nicht europatauglich
von Rolf Stolz

Sie haben nachdenkliche Gesichter, die Verhandlungsführer, die seit Ende März mit der Türkei weiter über deren EU-Beitritt feilschen. Schon allein wegen der permanent geschlossenen Augen, denn "Augen zu und durch!" ist ihre Devise. 2005 begannen die Verhandlungen, besprochen ist bisher - wegen Ankaras Weigerung, Zypern anzuerkennen - nur eins von 35 Kapiteln, das über "Wissenschaft und Forschung". Die Forschung über den Völkermord an Armeniern und Assyrern wurde allerdings ausgeklammert. Nun wird über "Betriebe und Industrie" gesprochen, also das, was jene Kapitalisten besonders bewegt, die ihrem Henker den Strick, an dem man sie aufknüpft, vorher profitabel verhökern wollen. Nichts Wesentliches hat Ankara gebessert: Kein Besatzungssoldat wurde aus Zypern abgezogen, die Bedrohung des kurdischen Nordirak geht ebenso weiter wie die Repression gegen die Kurden oder gegen die christliche Minderheit.

Die islamistische Unterwanderung des Staatsapparats floriert - in enger Kooperation mit den in Westeuropa aktiven Polit-Hodschas. Gleichzeitig erreicht die Türkei Spitzenwerte bei per Ehrenmord vernichteten Frauenleben (in fünf Jahren mindestens 5.400) und den Frauenselbstmorden (5.000). Fast jede dritte Türkin wird mindestens einmal zum Gewaltopfer, was zwei Drittel der Frauen ohne Schulbildung für normal halten. Das Fazit: Europatauglich in der Türkei sind lediglich einige einsame Mutige, die mit einem Bein im Gefängnis und mit dem anderen nahe der nächstgelegenen Fluchttür stehen.


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