© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

"Initiative für einen Nahostfrieden"
Arabische Liga: Beim jüngsten Gipfeltreffen ging es neben dem Iran auch erneut um den Palästina-Konflikt
Günther Deschner

Die rege Reisetätigkeit der US-Außenministerin Condoleezza Rice, des neuen UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon und sogar der Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in den letzten Wochen den Eindruck vermittelt, die totgeglaubte Nahostdiplomatie laufe plötzlich wieder auf Hochtouren.

Wirklich Substantielles hatte sich nicht ergeben, doch daß etwas "in der Luft" lag, war das Signal: Ban schlug ein Treffen des alten "Nahostquartetts" (USA, EU, Uno, Rußland) vor, doch müsse man es um Israel, die Palästinenser und arabische Staaten wie Saudi-Arabien erweitern. Israels Premier Ehud Olmert ließ wissen, er würde nicht zögern, wenn man ihn einlüde.

Rice, die die spannungsreiche Region neuerdings monatlich frequentiert, ließ vage verlauten, ein "Deal" sei vielleicht schon bald "im Bereich des Möglichen". Erstmal sollen sich Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vierzehntäglich treffen. Was man sich von diesen Sitzungen erwarten darf, ist offen, zumal die prekäre Halbwertzeit der Regierung Olmert in Israel (JF 14/07) jederzeit zu neuen Konstellationen führen kann. Außerdem hat in der - vom saudischen König vor ein paar Wochen in Mekka gestifteten - palästinensischen Einheitsregierung die sunnitisch-radikalislamische Hamas ein größeres Gewicht als die palästinensisch-nationale Fatah von Abbas.

Mit Abbas allein einen Frieden zu besprechen, der nicht die volle Unterstützung der Hamas hätte, wäre also sinnlos. Selbst die Fatah-Hamas-Partnerschaft allein würde nicht ausreichen, um Israel und Palästina eine friedliche Zukunft zu garantieren. Eine Lösung, die von Dauer sein soll, bräuchte - neben dem Friedenswillen Israels - die Unterstützung aller wichtigen Staaten der arabischen Welt.

Darin liegt die enorme Bedeutung des vergangenen Donnerstag im saudischen Riad zu Ende gegangenen Gipfeltreffens der Arabischen Liga, wo die Präsidenten, Könige und Emire der 22 arabischen Staaten ihre gemeinsamen Positionen absteckten. Die veränderte Rolle des Iran in der Region war das eine große Thema, die Wiederaufnahme der "arabischen Initiative für einen Nahostfrieden" das andere. Es handelte sich dabei um eine kaum veränderte Neuauflage des Friedensplans, den Saudi-Arabien bereits vor fünf Jahren ausgearbeitet und den die Arabische Liga bei ihrer Gipfelkonferenz in Beirut 2002 schon einmal angenommen hatte.

Entschädigung statt Rückkehrrecht

Damals hatten die arabischen Staaten Israel ein Angebot gemacht: Wenn Jerusalem einen palästinensischen Staat zuläßt - in Grenzen, die die 1967 besetzten Palästinensergebiete einschließen, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt - und wenn eine "gerechte" Lösung für die palästinensischen Vertriebenen gefunden wird, dann würden die arabischen Staaten Israel anerkennen. Das klassische Quid pro quo der Diplomatie wäre in diesem Plan sauber austariert.

Es überrascht, daß ausgerechnet Olmert den Faden aufgenommen hat. "Wenn moderate arabische Staaten diese Initiative vorantreiben, dann werde ich dies als positive Entwicklung ansehen", ließ er verlauten. Hinter den Kulissen versucht Rice aber - im Auftrag Olmerts? - die Araber noch zu "Überarbeitungen" der Initiative zu bringen. Bisher hatte der Judenstaat weder einen Rückzug aus dem gesamten Westjordanland noch die Idee des längst von Israel annektierten Ost-Jerusalem als Palästinenser-Hauptstadt, geschweige denn eine Rückkehr der Flüchtlinge akzeptiert, wenngleich die arabischen Staaten in der letzten Frage "technische" (also finanzielle) Lösungen angeboten haben. Demnach soll das Rückkehrrecht "prinzipiell" anerkannt werden, Palästinenser sollen aber nicht unbedingt zurückkehren, sondern eine Entschädigung erhalten.

Israel hätte gerne, daß Saudi-Arabien darauf hinarbeitet, die Flüchtlingsfrage ganz aufzugeben. Aber der saudische König kann sich, selbst wenn er das wollte, nicht gut zum Büttel israelischer Ansprüche machen, wenn er seine Rolle in der arabischen und der gesamtislamischen Welt nicht gefährden will. "Es wird keine Modifizierung der Friedensinitiative geben", kommentierte der saudische Außenminister deswegen barsch. Aber de facto gehen alle davon aus, daß man nach einem Weg sucht, der nicht so aussieht, als gebe man gegenüber Washington oder Israel klein bei.

Im Grunde könnte sich die Liga sogar erlauben, auf den 2004 verstorbenen Palästinenser-Präsidenten Jassir Arafat zurückzugreifen, der schon in den siebziger Jahren einen palästinensischen Staat Seite an Seite mit Israel akzeptiert hatte, dessen Grenze die Grüne Linie und dessen Hauptstadt Ost-Jerusalem ist. Inoffiziell war Arafat sogar mit einem Gebietstausch einverstanden, der es ermöglichen würde, einige jüdische Siedlungen nahe der Grünen Linie bestehen zu lassen. Sehr viel mehr wird auch heute an Kompromissen kaum möglich sein. Denn es gibt praktisch keinen Palästinenser und keinen Araber, der mit weniger einverstanden wäre. Den Palästinensern würden so ohnehin gerade einmal 22 Prozent des historischen Palästina bleiben.

Eine vereinigte palästinensische Führung, die den Rückhalt der arabischen Welt hat, könnte sich an einen solchen historischen Handel wagen. Wenn Israel Frieden will, sollte es eine Neuauflage dieser Initiative nicht nur begrüßen, sondern sie auch aktiv als einen Weg zum Frieden aufgreifen. Weder die Palästinenser noch die Israelis können sich weitere 50 Jahre des Blutvergießens, der Besatzung und der schleichenden ethnischen Säuberung leisten.

Beobachter warnen aber: Bei allen bisherigen Anläufen für einen Nahostfrieden fand sich im letzten Augenblick noch ein Stolperstein, der dem einen oder anderen Betonkopf auf beiden Seiten einen willkommenen Anlaß zum Abbruch bot. Ob Washington und West-Jerusalem über ihr selbstverhängtes Sprechverbot mit der Hamas wirklich hinwegkommen? Ob diese bei ihren Gefolgsleuten genügend Realitätssinn für die Hinnahme der Existenz Israels durchsetzen kann?

Vertragspartner Israel auch offiziell anerkennen

Unmöglich ist das nicht: Rice hat in diesem Punkt ihren Ton etwas geändert. Hatte sie bisher - der israelischen Linie folgend - jede Lösung mit einer Hamas-geführten Regierung ausgeschlossen, räumte sie nun ein, die Regierungspräsenz der militanten Islamisten gestalte die Dinge eben nur "komplexer".

Die gesamtarabische Initiative könnte dazu beitragen, diese "Komplexität" aufzulösen, und es auch für die Hamas einfacher machen, einen Vertragspartner Israel offiziell anzuerkennen. Der saudische Friedensplan sieht dies expressis verbis vor. Chalid Maschal, der in Damaskus lebende oberste Hamas-Politiker, hat angeblich bereits avisiert, jedenfalls nicht dagegen zu opponieren. Die Zustimmung des palästinensischen Volkes zum Friedensplan der Arabischen Liga wäre laut einer aktuellen Umfrage schon jetzt gesichert. 72 Prozent finden den Plan akzeptabel, obwohl er in der Anerkennung Israels münden würde.

Vielleicht deswegen, wie ein palästinensischer Meinungsforscher meint, "weil er kein Diktat ist, sondern weil er auch Bedingungen für Israel enthält".

Foto: Saudische Prinzen beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Riad: "Es wird keine Modifizierung der Friedensinitiative geben"


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