© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/07 06. April 2007

Keine blühenden Landschaften
Die "Eliten" sind schuld
Peter Lebitsch

Massenarbeitslosigkeit, demographischer Schwund, lethargische Bürger - ist die mitteldeutsche "Elite" daran schuld? Gunnar Hinck glaubt dies ernsthaft. Politiker und Manager der neuen Länder seien isoliert und einfallslos, verwalten Probleme, statt sie zu lösen. Ohne Solidarpakt fielen mitteldeutsche Kassen trocken. Hinck interviewte 14 willkürlich ausgewählte Ökonomen, Journalisten und Politiker wie Matthias Platzeck oder Wolfgang Böhmer. Kurzbiographien entstanden, die am Kern der Probleme vorbeigehen. Zudem irritiert Hincks ausschließlicher Blick auf die Mächtigen und Einflußreichen. Ohnehin vergißt er, diesen schwammigen Begriff der "Elite" zu definieren.

Mitteldeutsche Führungsgruppen, meint der Autor, taugen nicht viel. "Letztlich" aber seien "nur die Eliten vor Ort in der Lage, die Situation zu ändern". Da irrt er fundamental. Die Kompetenz der Länderregierungen ist sehr beschränkt. Neue Industrien durch eigene Kraft zu schaffen, sprengt bei weitem ihre Möglichkeiten. Mehr Gewicht haben die Länder zwar im Bundesrat, doch der vertritt keine Regionen. Entweder gelingt der Aufbau Ost als nationale Anstrengung oder gar nicht. Andernfalls besteht die Gefahr, daß die alten Länder den "Osten" abschreiben. Was alle angeht, müssen alle lösen; es bedarf gesamtdeutscher Ideen. Bloße Elitephantasien genügen nicht.

Hinck unterschätzt aber auch äußere Bedingungen. In Jahrzehnten entstandener Rückstand, der auch durch die Enteignung und der Vertreibung der Mittelstandes nach 1945 verschuldet wurde, ist nicht kurzfristig auszugleichen. Immerhin wurde die Infrastruktur modernisiert, und die Arbeitsproduktivität stieg gewaltig. Der Autor analysiert wenig. Niemanden wundert es, daß Jenoptik-Chef Alexander von Witzleben vorrangig Interessen seiner Firma berücksichtigt und Bezirksbürgermeister soziales Elend kaum lindern können. Strukturen sollte man zudem nicht mit den immer wieder hervorgehobenen "Mentalitätsunterschieden" verwechseln. Zahlreiche Thesen des Autors wirken unhistorisch, oberflächlich, apolitisch. Die Frage, warum den Managern der Aufbruch nicht gelinge, ist also falsch gestellt. 

Gunnar Hinck: Eliten in Ostdeutschland. Warum den Managern der Aufbruch nicht gelingt. Ch. Links Verlag, Berlin 2007, broschiert, 214 Seiten, 16,90 Euro


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