© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Linksextremismus
Die Täter sind unter uns
Dieter Stein

Wer kennt den Namen Gerhard Kaindl? Der Elektroingenieur aus Schöneberg saß am 4. April 1992 im Berlin-Kreuzberger Chinarestaurant Jin-Shan auf dem falschen Stuhl zur falschen Zeit. Mit dem Rücken zum Eingang unterhielt er sich mit politischen Freunden. Er konnte nicht mehr ausweichen, als eine Gruppe linksradikaler Ausländer das Lokal stürmte und über den Tisch herfiel, an dem er saß. Sie hatten Baseballschläger und Messer dabei, und sie griffen an, weil dort "Rechte" saßen, darunter Carsten Pagel, Ex-Chef der Berliner Republikaner.

Hätte ein anderer auf Kaindls Stuhl gesessen, dann hätten diesen die tödlichen Stiche getroffen. Mit am Tisch saß damals auch Thorsten Thaler, seit 1995 Redakteur dieser Zeitung. Er konnte sich unter den Tisch flüchten und überlebte mit lebensgefährlichen Stichverletzungen. Er mußte erleben, wie Kaindl direkt neben ihm verblutete. Schlimmer noch als die körperlichen Spuren und der Schock eines solchen Überfalls ist das Gefühl der Ohnmacht, das die Überlebenden befällt. Warum traf es ihn, und warum nicht mich? Hätte man sich wehren können?

Entsetzen packt Opfer und Angehörige solcher Gewalttaten schließlich, wenn sie miterleben, wie sich das öffentliche Interesse unverhohlen wohlwollend den Tätern zuwendet. Es traf schließlich einen "Rechten", einen "Nazi". Als die Polizei von 1992 bis 1994 mit einer Sonderkommission die Haupttäter ermittelte und verhaftete und diese schließlich auch (milde) abgeurteilt wurden (siehe Bericht auf Seite 7), da erschienen einfühlsame Berichte über die linksradikalen "Antifaschisten", die diesen Mord begangen hatten, und man mokierte sich wortreich über den angeblich übertriebenen Fahndungsaufwand, wo doch nur ein "Nazi" draufgegangen sei.

Die "klammheimliche Freude", mit der der Tod Kaindls am 4. April 1992 nicht nur bei beschränkten linksextremen Betonköpfen aufgenommen wurde, ist ein Déjà-vu auf die Stimmung, die nach dem Attentat der RAF am 7. April 1977 auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback herrschte. "Klammheimliche Freude" wurde damals in der linken Studentenschaft mancherorts artikuliert, als die RAF in Serie "Bullenschweine" und Repräsentanten des "faschistischen Systems" der BRD "kaltmachte".

Es gibt heute eine Ästhetisierung des linken Terrors in Ausstellungen, Theaterstücken und Kinofilmen. Andreas Baader und Ulrike Meinhof - sie mutieren zu mystischen Figuren der politischen Pop-Kultur, Erschrecken und Scham lösen sie jedenfall nicht aus. Im Fall Gerhard Kaindl sorgte der Linksradikale Raul Zelik, der zum Umfeld der Täter gehört, durch sein Buch "Friß und stirb trotzdem" für die Umdeutung der Mörder zu Helden. Genüßlich schildert Zelik in seinem 1997 erschienenen "fiktiven Roman" den Mord am wehrlosen Opfer und verbrämt die Tat zu einer "vernünftige Antwort". Der öffentlich-rechtliche Sender NDR-Info adelt dieses Machwerk, indem er am 19. Mai um 21.05 Uhr eine unkritische Hörspielfassung ausstrahlt. Eine unglaubliche Verhöhnung der Opfer.

Informationen: NDR, Intendant Jobst Ploog, Rothenbaumchaussee 132-134, 20149 Hamburg, Tel. 040 / 41 56 0, E-Post: info@ndr.de


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen