© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Profiteure des Klimawandels
Gesundheitsschutz: Deutschland droht Zeckenplage / Immer mehr Borreliose- und FSME-Erkrankungen
Michael Weis

Wegen des milden Winters sind die Zecken jetzt schon aktiv. Es wurde bereits ein FSME-Fall aus dem mittelfränkischen Landkreis Roth gemeldet. Wichtig ist daher, jetzt schon an die Doppelstrategie aus Impfung plus Vorsorge zu denken", warnte dieses Jahr bereits im März der bayerische Gesundheitsminister Werner Schnappauf. Denn durch den milden Winter sind deutlich mehr Zecken im Gras, in Büschen oder im Wald anzutreffen. Im Falle eines heißen Sommers könnten sie zu einer Plage werden.

2006 gab es 188 FSME- und etwa 10.000 Borreliose-Fälle allein in Bayern. Aber auch in Sachsen-Anhalt, das wie die nördlichen Bundesländer bislang nicht zu den gefährlichsten Zecken-Gebieten zählte, steigt die Zahl der durch Zeckenbisse ausgelösten Erkrankungen. 2001 wurden dort nur 164 Fälle von Borreliose gemeldet, 2006 waren es schon 533.

Die Zecken (Ixodida), die zu den Spinnentieren und dort zur Ordnung der Milben gehören, sind Parasiten. Sie sind auf andere Wirtslebewesen zwingend angewiesen. Von denen saugen sie Blut. Dieses Blut, für das sie bis zu 15 Tage an ihrem Wirt hängen, sichert den nur millimetergroßen Tieren das Überleben. Sie lauern ihrem Opfer im höheren Gras oder auf Büschen (weniger auf Bäumen) auf und heften sich an es. Daraufhin beißen sie mit ihren für Spinnentiere typischen Mundwerkzeugen, den Cheliceren, in die obersten Hautschichten des Opfers und halten sich so fest. Dann erfolgt ein Stich mit einer Art kleiner Lanze so weit durch die Haut, daß die Zecke an Lymphe und Blut gelangen kann. Größe Adern werden bei diesem Stich, der oft fälschlich als Biß beschrieben wird, meist nicht erreicht. Ähnlich wie stechende Insekten geben Zecken bei ihrem Stich aber verschiedene Sekrete ab. Neben einem Gerinnungshemmer, der ein längeres Saugen erst ermöglicht, scheidet die Zecke eine Art Klebstoff aus, der die Mundwerkzeuge fest in der Haut verankert. Darüber hinaus wird ein Betäubungsmittel in die Wunde entlassen, um unbemerkt zu bleiben, sowie ein Entzündungshemmer zur Vermeidung einer Immunantwort an der Einstichstelle. Daher sind die Zecken selbst für den Menschen eigentlich völlig harmlos. Problematisch wird es erst, wenn die Zecken als Krankheitsüberträger - sogenannte Vektoren - fungieren. Dabei sind besonders zwei Krankheiten für den Menschen extrem gefährlich: die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

An Borreliose erkranken etwa 50- bis 100mal mehr Menschen als an FSME. In den nördlichen Bundesländern sind bis zu zehn Prozent der Zecken mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi durchseucht, im süd- und mitteldeutschen Raum 20 bis 50 Prozent. Gegen Borreliose gibt es bisher keinen Impfstoff. Die Krankheit tritt beim Menschen in verschiedenen Formen auf. In Deutschland ist vor allem Lyme-Borreliose verbreitet. Das Rückfallfieber wurde bisher nur in Spanien und Portugal nachgewiesen - es kann tödlich verlaufen.

Bei dem geringsten Verdacht einen Arzt aufsuchen

Lyme-Borreliose kann mit Hautauschlag, Wanderröte, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit, Sehbeschwerden, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sowie psychischen Veränderungen einhergehen. Bei zu später Behandlung können sogar noch wesentlich schlimmere, teils chronische Beschwerden auftreten, die ein normales Leben oft völlig unmöglich machen. Eine Behandlung hat dann nur noch bedingt Erfolg, sie zieht sich teils über Jahre hin. Darum ist es ratsam, bei dem geringsten Verdacht auf Borreliose einen Arzt aufzusuchen - der verordnet gegebenfalls Antibiotika. Erste Anzeichen sind in der Regel eine Hautrötung um die Einstichstelle der Zecke und/oder anhaltende Kopfschmerzen.

Die FSME wird von Viren ausgelöst. Sie kann durch eine vorbeugende Impfung vermieden bzw. in ihrer Wirkung gemildert werden. Nichtsdestotrotz ist der Virus auf dem Vormarsch - 2005 wurden 432 Fälle bekannt. Doch nur etwa 10 bis 30 Prozent der Infizierten zeigen zunächst (grippeähnliche) Symptome. Sie treten zwei bis zwanzig Tage nach der Infektion auf: Fieber und Kopf- und Gliederschmerzen, die sich nach wenigen Tagen aber wieder zurückbilden. Bei etwa zehn Prozent der symptomatischen Patienten kommt es aber etwa eine Woche nach dem ersten Fieberschub zu einem zweiten Fiebergipfel - mit bis zu 40 Grad Körpertemperatur. Dabei treten dann oft Zeichen einer Gehirnhautentzündung auf. Sie kann bei mangelnder Behandlung zu Bewußtseinsstörungen, Koma und Lähmungen führen.

Mit Zeckenstichen ist daher nicht zu spaßen. Denn auch wenn das Risiko einer schweren Krankheit in Folge eines Bisses recht gering ist, so können die gesundheitlichen Schäden ganz enorm sein. Dabei sollte nicht außer acht gelassen werden, daß mit einer erhöhten Zahl an Zecken auch das Infektionsrisiko steigt und es bezüglich dieses Risikos nur eine geringe Rolle spielt, wie schnell man die Zecke nach dem Biß entfernt.

Wer in FSME-Risikogebieten wohnt oder Urlaub macht, sollte sich impfen lassen. Wer zumindest einen geringen Schutz gegen Borreliose haben möchte, sollte in der Natur lange Kleidung und eine Kopfbedeckung tragen und möglichst wenig Parfüm verwenden. Sollte dennoch eine Zecke den Weg an den Körper finden, empfiehlt es sich, unverzüglich einen Arzt aufzusuchen.

Informationen gibt es bei den Krankenkassen und auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts: www.rki.de sowie unter www.zecken.de

Foto: Familienausflug ins Grüne: In diesem Jahr lauern deutlich mehr Zecken im Gras, in Büschen oder Wald


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