© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/07 13. April 2007

Der Aktendetektiv
Nachruf: Zum Tod des Historikers Werner Maser
Günther Deschner

Der Hitler-Forscher, Zeithistoriker und Publizist Werner Maser ist tot. Der 84jährige starb am Donnerstag vor Ostern in einem Krankenhaus in Speyer. Maser galt als einer der profundesten Kenner der Geschichte des Dritten Reiches, war im Besitz exklusiver Dokumente aus deutschen und alliierten Archiven und hatte selbst mit vielen einstigen NS-Größen und deren Nachfahren akribische Zeitzeugengespräche geführt.

International machte er sich mit seinen Veröffentlichungen über Adolf Hitler, die NSDAP, das Dritte Reich und den Nürnberger Prozeß einen Namen. Sein Buch "Adolf Hitler. Legende - Mythos - Wirklichkeit", das seit seinem Erscheinen (1971) mehr als 40 Auflagen erlebt hat und in 22 Sprachen übersetzt worden ist, gilt als die am häufigsten aus dem Deutschen übertragene Hitler-Darstellung überhaupt.

Kritik an seinem Schüler Guido Knopp

Mehrfach machte der Hitler-Kenner Forschungsgeschichte: In den Sechzigern entdeckte er in den USA das nach 1945 dorthin verschleppte einstige "Hauptarchiv der NSDAP". 1970 fand er die bis dahin als verschollen geltenden kompletten medizinischen Unterlagen über den Patienten Hitler von 1905 bis 1945. Und er war der erste Historiker der Zunft, der die 1983 von der Illustrierten Stern veröffentlichten "Hitler-Tagebücher" als Fälschung bezeichnete und eine Untersuchung durch das Bundeskriminalamt forderte. Wenige Tage danach brach das Kujausche Lügenmärchen zusammen. Da ihm selbst als von den Hitler-Erben eingesetztem Nachlaßverwalter Hitlers handschriftliche Dokumente vorlagen, fiel ihm die Entlarvung nicht schwer.

Große Teile seines Werks sind vom sorgfältigen Zusammentragen von Fakten geprägt. Vor allem auf seine grundlegende Hitler-Biographie "Legende - Mythos - Wirklichkeit" trifft diese Feststellung zu. Im Gegensatz zu einigen frühen Biographien, etwa der des Oxford-Historikers Alan Bullock, dem kaum Originaldokumente vorlagen und der sich hauptsächlich auf die Unterlagen des Internationalen Militärtribunals stützte, die - so Maser - "in sehr vielen Fällen nicht tatsachengerechte Darstellungen enthalten", konnte sich Maser auf Originalakten und von ihm selbst einvernommene Zeitzeugen stützen.

Als "aktendetektivische" Gründlichkeit hat Maser seinen Arbeitsstil charakterisiert. Mit dieser - zumindest auf sein Hitler-Buch zutreffenden - Genauigkeit zerpflückte er akribisch die von dem unappetitlichen Romancier Hans Habe verbreitete Legende über "diesen Herrn Schicklgruber", die über den "Teppichbeißer", den "Drogenabhängigen" und viele andere mehr.

Bereits die eigene Vita brachte Werner Maser in Verbindung mit seinem Forschungsgegenstand, dem Dritten Reich: Am 12. Juli 1922 kam er als Sohn eines Landwirts und Pferdezüchters - die Trakehner-Pferdezucht blieb neben der Kunst zeitlebens seine kostspielige Liebhaberei! - im ostpreußischen Paradeningken zur Welt. (An seinem Geburtshaus ließ die Russische historische Gesellschaft übrigens vor wenigen Jahren eine Gedenktafel anbringen.) In Königsberg machte Maser das Abitur, ab 1941 diente er in einem Infanterieregiment der Wehrmacht. Als Leutnant geriet er 1945 erst in amerikanische und dann in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1949 heimkehrte.

Danach studierte er in Berlin, München und Erlangen (dort bei dem nationalkonservativen preußisch-jüdischen Religions- und Geisteshistoriker Hans-Joachim Schoeps) Theologie, Philosophie, Geschichte und Völkerrecht. Zwei Jahre lang war er in Berlin Assistent des Nationalbolschewisten Ernst Niekisch. 1954 promovierte er mit "Die Organisierung der Führer-Legende" zum Dr. phil. 1975 wurde er an die Uni München berufen, lehrte dort Geschichte und Völkerrecht. Gastprofessuren in Finnland und Japan schlossen sich an. Bereits emeritiert, war Maser 1991 nochmals maßgeblich an der Neuorientierung der Universität Halle-Wittenberg beteiligt.

Mehr als 20 Bücher stammen aus seiner Feder. Darunter sind Biographien über die Reichspräsidenten Friedrich Ebert und Paul von Hindenburg, über den Schauspieler Heinrich George sowie über den "Kanzler der Einheit" Helmut Kohl, Arbeiten über das Verhältnis von Deutschen und Russen, eine Untersuchung über die Frage des "Präventivkriegs" von 1941 und mehrere Editionen der Memoiren ehemaliger wichtiger und unwichtiger Größen des Dritten Reiches. Nicht alle seine Bücher haben den gleichen Rang wie seine Arbeiten über Hitler, doch mit diesen hat er sich seinen Platz in der Geschichtsschreibung gesichert.

Dem zeitgeschichtlichen Fernseh-Hype, wie er mit dem Namen seines Schülers Guido Knopp verbunden ist, und dessen oft flachen Schilderungen stand Maser höchst kritisch gegenüber. Bei all den zahlreichen persönlichen Begegnungen, die ich mit Werner Maser hatte, wurde er niemals müde, sich "den einzigen, großen Fehler" vorzuwerfen, den er zutiefst bedauere: "Daß ich Guido Knopp nachsichtig zum akademischen Abschluß verholfen habe, das werde ich mir nie verzeihen. Hätte ich geahnt, in welcher Weise dieser 'Historiker' Geschichte und Agitation zu einem medialen Amalgam verschmilzt, hätte ich mich - glaube ich - doch etwas anders verhalten."

Foto: Werner Maser (1922-2007): Über 20 Bücher aus seiner Feder


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