© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Kein Wort
Gedenkpolitik: Erinnerung an die Zerstörung Potsdams
Christian Rudolf

Am 14. April jährte sich der Bombenangriff der Royal Air Force auf Potsdam zum 62. Mal. Obschon das Datum der Zerstörung in der Bevölkerung nicht den Stellenwert besitzt wie der 13. Februar für die Dresdner, ist es doch üblich geworden, sich aus diesem Anlaß öffentlich zu versammeln. Etwa 50 Personen kamen in der Versöhnungskapelle zusammen, einem provisorischen Andachtsraum auf dem Gelände der Garnisonkirche. Die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der bei dem Angriff zerstörten Kirche hatte zu einer Andacht sowie einem Vortrag über die "Nacht von Potsdam" geladen.

Die Feier "zum Gedenken an die Zerstörung der Potsdamer Innenstadt" hielt der emeritierte Pfarrer Wilhelm Stintzing. Der Zeitzeuge hatte 1945 das desaströse Bild seiner Vaterstadt mit eigenen Augen gesehen: "Alles kaputt." Daß er Pfarrer und kein Historiker ist, merkte man seinem Vortrag an, und wer geglaubt hatte, an diesem Tage wenigstens würden die Opfer des Luftangriffs im Zentrum des Gedenkens stehen, der sah sich getäuscht. Kein Wort von den in den Luftschutzkellern Zerschmetterten, von den lebendig Verbrannten, den Verschütteten, von den verstört umherirrenden Kindern, vom beißenden Leichengeruch in der Osternacht 1945. Statt dessen gab es einen Kurzabriß deutscher Geschichte der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Biographie Hitlers im Mittelpunkt.

Es folgte ein Lichtbildervortrag des Potsdamer Lokalhistorikers Hans-Werner Mihan über den letzten Großangriff des britischen Bomber Command mit 500 Lancaster- und Mosquito-Flugzeugen. Was es dreieinhalb Wochen vor Kriegsende noch an strategischen Zielen zu zerstören gab? Es sei der Bahnhof und Kasernen gewesen, war sich Mihan sicher. Nun wurden während der Attacke Kasernen kaum getroffen, indessen nicht allein das Bahngelände verwüstet, sondern dazu die halbe Altstadt mit unersetzlichen Kunstschätzen. 1.500 Bombentote und zahllose Obdachlose hinterließ der Luftangriff, die Perle des alten Preußens war dahin.


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