© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Das Bier könnte knapp werden
Landwirtschaft: Weltweit fehlen etwa 1,5 Millionen Tonnen Braugerste / Energiepflanzen verdrängen traditionelle Anbaukulturen
Michael Weis

Ein erfrischender Schluck Bier könnte schon bald teurer werden. Schuld ist ein Mangel an Braugerste, durch den sich auch der deutsche Exportschlager merklich verteuern könnte. Schließlich wird aus der Braugerste das Malz gewonnen: einer der wichtigsten Rohstoffe für die der Bierproduktion. Derzeit fehlen weltweit etwa 1,5 Millionen Tonnen Braugerste in Standardqualität. Davon alleine fast eine Million in der EU, was einem Mangel an fast 600.000 Tonnen Malz entspricht. Dieses Defizit dürfte selbst durch die Verwendung von Gerste mit niederer Qualität nicht ohne weiteres auszugleichen sein.

So kam es in der letzten Zeit zu einem rapiden Preisanstieg auf dem Gerstemarkt, der zumindest den ohnehin schlecht entlohnten Gerstebauern zugute kommt. Weite Teile der kommenden Ernte sind bereits im Vorfeld aufgekauft und für die Produktion verplant. Das Problem der Rohstoffknappheit wird dadurch aber freilich nicht gelöst. Es überträgt sich nur durch höhere Produktpreise auf den Verbraucher, der am Ende mit Konsumzurückhaltung reagieren könnte. Letzteres wäre dann allerdings ein schwerer Schlag für die ohnehin hart umkämpfte Bierbranche, die 2006 durch die Fußball-WM das erste Mal seit Jahren wieder einen Anstieg des Bierkonsums melden konnte.

Die somit also für Mälzer, Brauer und Konsumenten gleichermaßen besorgniserregende Entwicklung hat im wesentlichen zwei Ursachen. Zum einen ist die Anbaufläche für Braugerste kontinuierlich zurückgegangen. Alleine die Anbauflächen für Sommergerste (die im Gegensatz zu Wintergerste bevorzugt bei der Herstellung von Malz genutzt wird) reduzierten sich seit 1990 um etwa 40 Prozent. Dadurch erreichte die genutzte Fläche 2006 mit lediglich 548.000 Hektar das niedrigste Niveau in der Geschichte der Bundesrepublik.

Besonders dramatische Ausmaße erreichte der Rückgang dabei in Sachsen-Anhalt, wo 2006 nur noch auf 16.000 Hektar Sommergerste stand. Das sind gerade 23 Prozent der Anbaufläche von 1990. Nachdem die einheimischen Landwirte immer wieder ohne Erfolg den sinkenden Preis für ihr Produkt beklagt und eine fairere Bezahlung verlangt hatten, zogen sie mangels ausreichender Druckmittel die letzte Konsequenz und stellten die Bewirtschaftung um. Anstelle von Gerste produzieren nun viele Mais für Biogasanlagen.

Nachwirkungen des niedrigen Malzpreises

Der zweite Grund für den Rohstoffmangel in der Bierindustrie sind hohe Ernteeinbußen auf der ganzen Welt, die womöglich auch 2007 wieder eintreten könnten. In Deutschland konnte die Aussaat 2006 wegen des langen Winters erst spät erfolgen. Die erst zu niedrigen und dann zu hohen Temperaturen verringerten die Erträge beträchtlich. Hinzu kam der verregnete August, der massiv die Einbringung der Ernte behinderte und dafür sorgte, daß weite Teile der Gerste nur noch als Viehfutter verwendet werden konnten. Eine schnelle und kurzfristige Lösung gestalte sich trotz des Ausmaßes der Probleme schwer.

Importe sind problematisch, da zum einen auch andere Länder unter dem Mangel leiden und frühere Exportüberschüsse (wie aus Dänemark) deutlich geringer ausfallen. Zum anderen erhöhen Importe aufgrund der Kosten sehr stark den Preis und können den Bedarf dennoch nicht decken, da die notwendigen Mengen nicht existieren.

Ein weiterer Ausweg wäre ein verstärkter Einsatz von Winterbraugersten und Sommerkompromißgersten. Doch sind auch hier die Ernten schlechter als früher, und die Mälzereien wären genau wie die Brauereien gezwungen, einige Kompromisse einzugehen. Zu guter Letzt bestünde nur die Möglichkeit, Mälzungskapazitäten stillzulegen und so die Malzproduktion einzuschränken. Dies würde allerdings zu einem deutlichen Mangel bei der Braumalzversorgung führen, da 1,8 Millionen Tonnen Gerstenmalz jährlich für die Versorgung aller Inlandskunden genauso notwendig sind wie für den Export.

Trotz alledem sind erste Anzeichen dieser Entwicklung mangels wirklicher Alternativen bereits sichtbar, denn der für viele Betriebe völlig unzureichende Malzpreis in den letzten Jahren hatte Produktionsrückgänge, Teilbetriebsstilllegungen und Insolvenzen auf dem gesamten Produktionssektor zur Folge.

So werden sich also die Bürger zumindest kurzfristig auf eine geringere Bierproduktion einstellen müssen, die bei gleichbleibender Nachfrage zwangsläufig eine Preiserhöhung nach sich ziehen dürfte. Auf mittlere Sicht könnte eine Preiserhöhung aber vielleicht sogar von Vorteil sein, da die Chance besteht, daß auch die Gerstebauern und Mälzer davon nicht nur kurzfristig profitieren und so Arbeitsplätze und Traditionsbetriebe unterstützt werden.


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