© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/07 20. April 2007

Frisch gepresst

Ostpreußen. Anfang 2001 fand im Travemünder Pommernzentrum eine Tagung zur Geschichte des Nationalsozialismus in Ostpreußen statt (JF 10/01). Nun sind die Referate endlich in einem von Christian Pletzing edierten Sammelband nachzulesen (Vorposten des Reichs? Ostpreußen 1933-1945. Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, München 2006, broschiert, 252 Seiten, 19,90 Euro). Die Beiträge informieren über den berüchtigten Gauleiter Erich Koch, beleuchten sein als "Stiftung" getarntes Wirtschaftsimperium, behandeln die Albertus-Universität im Umbruch der NS-Machtergreifung oder skizzieren die Geschichte der Königsberger Jüdischen Gemeinde. Aus diesem Rahmen nüchtern-distanzierter Forschung fällt ein Erlebnisbericht des Zeitzeugen Martin Bergau über den "Holocaust am Bernsteinstrand" in Palmnicken. Doch die krasse Subjektivität, die dem Zeitzeugen gestattet ist, macht sich leider auch in zwei wissenschaftlich drapierten Aufsätzen bemerkbar. Arune Arbusauskaite (Klaipeda) schreibt die Geschichte des Memellandes immer noch, als doziere sie in "Sowjet-Litauen", und Bernhard Fisch (Jena), ein alter Apparatschik "deutsch-sowjetischer Freundschaft", verficht wieder seine obskuren Thesen über die "humane" Rote Armee. Erst der "sinnlose" Widerstand der Wehrmacht habe zu "Übergriffen" der "Befreier" geführt. Als Beweis dient ihm die kampflose Übergabe Greifswalds. Dabei verschweigt Geschichtsklitterer Fisch, daß es in Greifswald zu brutalsten Vergewaltigungsexzessen kam und daß zwei der deutschen Kapitulanten "zum Dank" ermordet wurden.

Nietzsche. Wenn beim ersten Durchblättern der Bochumer Dissertation von Thomas Mittmann über "Die antisemitische Nietzsche-Rezeption in Deutschland bis zum Ende des Nationalsozialismus" (Vom "Günstling" zum "Urfeind" der Juden, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, broschiert, 248 Seiten, 29,80 Euro) auffällt, daß ein unbedeutender völkischer Skribent wie Herbert Leisegang mit dem Jenaer Philosophieprofessor Hans Leisegang verwechselt wird, der als Philon-Herausgeber gerade das Gegenteil eines "antisemitischen Nietzscheaners" war, ist man schon verstimmt, erhält aber einen Vorgeschmack auf die "Richtung des Ganzen". Mittmann hat Armin Mohlers Bibliographie des völkischen Blätter-Dschungels ad notam genommen und dessen Wucherungen von Dühring und Stoecker bis zu Dinter und Hauer auf "Pro- und Contra-Nietzsche" ausgewertet. Obwohl er nicht nur Herbert mit Hans Lesegang verwechselt oder eine Prominenz wie Heinrich Wölffin ("Wölflin") falsch schreibt; bei ihm "fanatische" Nationalsozialisten auftreten, die nie welche waren; ein kurzes Kapitel über die jüdische Nietzsche-Rezeption verrät, daß an Mittmann die jüngste Forschung über den "jüdischen Nietzscheanismus" spurlos vorüberging; und die gesamte Zitatensammlung voraussehbar bei "Nietzsche und der Genozid" endet, läßt sich das Werk doch als Fundstellen-Reservoir für weiterführende ernsthafte Forschungen nutzen.

Vergeltungswaffen. Ausgehend von einer lokalhistorischen Reflexion der "Einsatzgeschichte der V2 aus Eifel, Hunsrück und Westerwald 1944/45", haben Wolfgang Gückelhorn und Detlev Paul in ihrem reich illustrierten Band ein anschauliches Werk über Entwicklung, Produktion, Einsatz und Propaganda der als Vergeltungswaffe 2 bezeichneten Rakete A4 geschaffen. Die Einsatzwirkung mit "furchtbaren Schäden" und "außerordentlich hohen Menschenverlusten" bei den Angriffen auf die britische Hauptstadt London und die 1944 von den Alliierten eroberte belgische Hafenstadt Antwerpen vermerkte Goebbels in seinem Tagebuch als "außerordentlich erfreulich" (V2 - Gefrorene Blitze. Helios Verlag, Aachen 2007, gebunden, 220 Seiten, Abbildungen, 34 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen