© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Kolumne
Die Feinde der Volkswirtschaft
Bruno Bandulet

Seitdem Franz Müntefering vor zwei Jahren angelsächsische Firmenjäger, die hierzulande auf Beute gehen, als Heuschrecken beschimpft hat, wird das Thema von den regierenden Parteien systematisch verdrängt. Sie überlassen es der Linkspartei, die damit gerne anti-marktwirtschaftliche Ressentiments bedient. Das allgemeine Schweigen erklärt sich nicht nur aus der Unlust der politischen Mitte, sich mit nationalen Existenzfragen zu befassen, sondern auch aus der Angst, die amerikanische Vormacht zu reizen. Schließlich war der derzeitige US-Finanzminister Henry Paulson früher Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs, der größten aller Heuschrecken.

So geht in Deutschland das Gefühl dafür verloren, was die deutsche Volkswirtschaft ausmacht. Sie ist ein auf Geschichte und Tradition aufbauendes, auf langfristiges unternehmerisches Handeln ausgerichtetes Produktionsregime innerhalb nationaler Grenzen, das der Realwirtschaft den Vorrang gegenüber der Finanzwirtschaft einräumt. Dieser spezifisch deutsche Weg profitiert vom freien Welthandel, er ermöglicht dank der Konzentration auf Qualität erstaunliche Exporterfolge, er ist jedoch unvereinbar mit der Ethik angelsächsischer Hedge-Fonds-Manager, die unter dem Diktat positiver Monatsrenditen stehen.

Immerhin hat Helmut Schmidt, der vielleicht letzte deutsche Staatsmann von Format, kürzlich in der Hamburger Zeit davor gewarnt, daß die Volkswirtschaften Deutschlands und anderer Länder zunehmend unter die Herrschaft privater Finanzmanager in New York und London geraten und daß die für uns wichtigsten privatwirtschaftlichen Entscheidungen nicht mehr in Frankfurt, sondern in fremden Finanzzentren getroffen werden. Laut neuesten Zahlen beläuft sich das Eigenkapital der über 8.000 internationalen Hedge-Fonds (ohne die Fremdmittel!) auf über zwei Billionen Dollar und hat damit das Volumen der gesamten deutschen Staatsverschuldung erreicht - eine ungeheure Machtkonzentration, die der große Liberale Wilhelm Röpke als "Kolossalkapitalismus" gebrandmarkt hätte.

Deutschland ist mit einer Herausforderung konfrontiert, die der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser in seinem gleichnamigen Buch als "Kulturkampf" diagnostiziert hat. Bleibt zu hoffen, daß die Politiker in Berlin doch noch begreifen, was auf dem Spiel steht. Nämlich die Integrität einer alles in allem immer noch erfolgreichen Volkswirtschaft.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des DeutschlandBriefes und des Finanzdienstes G&M.


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