© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Der Traum von einer rechten Partei
Wahlen: Eine Studie des Instituts für Staatspolitik gibt Tips, worauf konservative Parteigründer achten sollten / Abschreckende Beispiele
Peter Freitag

Sie heißen "Bürger in Wut" und "Bremen muß leben" und wollen - in Konkurrenz zueinander sowie zur Deutschen Volksunion (DVU) - bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai um die Gunst der Wähler buhlen und die Leerstelle rechts der Union besetzen. Jüngst kündigte zudem der Journalist und Terrorismusexperte Udo Ulfkotte an, eine Partei zu gründen, die programmatisch gegen die Bedrohung Deutschlands durch eingewanderte radikale Moslems ausgerichtet sein soll: Allem Anschein nach ist also trotz so mancher Pleite in der Vergangenheit die Bereitschaft im sogenannten "bürgerlichen Lager" zu parteipolitischem Engagement jenseits der Etablierten nicht grundsätzlich verschwunden.

Passend dazu ist jetzt in der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Wissenschaftlichen Reihe ein Heft mit dem Titel "Parteigründung von rechts" erschienen. Auf vierzig Seiten geht diese Studie der Frage nach, wie die Rahmenbedingungen für eine bürgerliche Rechtspartei aussehen, die neben der CDU bestehen und mehr Mitglieder umfassen könnte, als "ins Hinterzimmer einer Gaststätte oder in einen VW-Golf passen". Auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, so das Fazit der Autoren am Schluß ihrer Zusammenstellung: Denn eine Große Koalition befördere üblicherweise die Stärkung der politischen Ränder. Außerdem könne sich die Parteienlandschaft der Bundesrepublik nur noch nach rechts ausdifferenzieren, da sowohl mit den Volksparteien CDU und SPD als auch mit den an der bildungsbürgerlichen Oberschicht orientierten Parteien FDP und Grüne jeweils das mittlere sowie das linke Wählerspektrum abgedeckt sind.

Das Wählerpotential einer Rechtspartei liege bei 15 bis 20 Prozent, ein Stimmenanteil, mit dem sich politisch wirksam arbeiten lasse, wie die Beispiele rechtspopulistischer Parteien in einigen Nachbarstaaten zeigten. Hinzu kommt, daß "klassische" rechte Themen wie Einwanderung und Integration durchaus Konjunktur haben, so daß eine "derzeit vergleichsweise günstige" Situation für eine neue Rechtspartei bestehe.

Zugrunde gelegt ist der Studie zunächst eine ausführliche Aufstellung des rechtlichen, institutionellen und personellen Rahmens einer Partei. Aufbau und Gliederung, Führung und Finanzierung einer Partei, Kandidatenaufstellung und Teilnahme an Wahlen - diese grundsätzlichen Fragen werden anhand der wesentlichen juristischen Bestimmungen erläutert.

Weiter wird nach den "Grundbedingungen politischer Existenz" gefragt und dabei bestimmte bei Parteiführern oder Politikern allgemein auftretende Persönlichkeitsmerkmale beleuchtet: Hier wird die Bedeutung emotionaler Kompetenzen in der Politik betont; ein überdurchschnittlicher Machtwille ("Biß") sowohl gegenüber dem Gegner als auch gegenüber dem innerparteilichen Konkurrenten zeichnet den erfolgreichen Politiker aus. Den Wählern und Anhängern müssen Entscheidungsfragen zugespitzt, gleichzeitig aber vage genug formuliert unterbreitet werden, damit man nach der Wahl und in Abstimmung zur "öffentlichen Meinung" flexibel bleibt.

An entscheidenden Stellen innerhalb einer Partei oder ihrer Fraktion sind zudem sogenannte "Parteisoldaten" wesentlich, die jede mögliche taktisch bestimmte Positionsänderung ohne Murren nachvollziehen und an der Disziplinierung möglicher Abweichler mitwirken. Ihre Loyalität zur Parteiführung wird dann belohnt mit einem Aufstieg in der Parteihierarchie, in der fachliche Qualifikationen weniger ausschlaggebend sind. Um nach außen schädlich wirkende offene Auseinandersetzungen innerhalb einer Partei zu vermeiden, haben "Kungelrunden" eine große Bedeutung, in denen mittels eines "Deals" Rivalitäten kanalisiert werden. Dem in manch konservativen Kreisen geäußerten Wunsch nach einer Besetzung politischer Posten durch parteiungebundene Fachleute erteilen die Autoren eine Absage; denn die Ansicht, dadurch sei effizienter Politik zu betreiben, ist nicht belegbar.

Unter Rückgriff auf aktuelle politikwissenschaftliche Studien schildert das Heft die wesentlichen Merkmale des Parteiensystems. Dazu gehört das Phänomen der "professionalisierten Wählerpartei", die aus der die Bundesrepublik lange dominierenden Volkspartei hervorgegangen ist, mit ihr aber nur noch wenig gemein hat. Ihre Führung ist zunehmend unabhängiger von der Partei und zunehmend abhängiger von den Medien.

Darüber hinaus stellt die Studie zusammenfassend auch Daten vor, die der Politologe Jürgen Falter in seiner Untersuchung über die demographische und soziale Stellung von Wählern rechter Parteien herausgearbeitet hat. Besondere Zustimmung erfährt "die Rechte" demnach im Milieu der "Kleinen Leute", die nicht vom Abstieg betroffen sind, aber Angst davor haben. Bei Vermeidung zu Festlegungen in der Wirtschaftspolitik müßte eine Rechtspartei eher zu "taktischem Sozialpopulismus" tendieren und die Ablehnung von Massenzuwanderung, Überfremdung und Ausländerkriminalität voranstellen.

Als Beispiele für den Aufstieg (und den Fall) des Typs bürgerliche Rechtspartei in Deutschland wählt die Untersuchung drei "historische" Fälle aus: die Statt-Partei, den Bund Freier Bürger (BFB) und die Schill-Partei. Bei allen Unterschieden lassen sich für deren Erfolg und Niederlage gewisse Übereinstimmungen feststellen: Konkrete Mißstände, Politikverdrossenheit oder ein von den etablierten Parteien nicht aufgegriffenes Thema verschaffte der neuen politischen Kraft Aufmerksamkeit und Zustimmung. Personalquerelen unter den "Häuptlingen", eine zu rasche Ausdehnung bei fehlender Parteiorganisation, Unerfahrenheit und Disziplinlosigkeit des Personals verursachten den Abstieg. Im Fall der Statt- und der Schill-Partei kam noch hinzu, daß sie einerseits Regierungsparteien in Hamburg waren, andererseits als Opposition zu den Etablierten auftreten mußten.

Tragfähige Parteiorganisation ist notwendig

Allen rechten Neustartern schreiben die Autoren ein klares Rezept ins Stammbuch: Für den kurzfristigen Erfolg beim Wähler reiche zwar ein Polit-Star, eine dünne Personaldecke und ein mediengerechtes Tabuthema; wer mehr will, braucht eine tragfähige Parteiorganisation neben dem charismatischen und integrativen "Volkstribun". Derzeit ist weder das eine noch das andere in Sicht. Vor allem ist nicht absehbar, daß zwei der Hindernisse am Erfolg rechter Kleinparteien, die die Studie nennt, abzustellen sind: der auf ihnen lastende "Druck" aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit und die damit einhergehende mangelnde Unterstützung durch Medien und Verbände.

Institut für Staatspolitik: Parteigründung von rechts. Sind schlanke Strukturen möglich? Schnellroda 2007, geheftet, 38 Seiten,5 Euro

Foto: Wahlsieger Ronald Schill (2001): Charismatischer Volkstribun


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