© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Eine Trauerrede und ihre Folgen
Filbinger-Affäre: Oettinger distanziert sich von Weikersheim / Kauder rudert zurück / Studienzentrum lädt Günzel und Hohmann aus
Marcus Schmidt

Wer gedacht hatte, mit dem Treffen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) mit der Führungsspitze des Zentralrats der Juden in Deutschland am vergangenen Donnerstag sei die Affäre Oettinger-Fillbinger-Weikersheim beendet, sah sich bereits am folgenden Tag getäuscht.

Hatte der Ministerpräsident noch am Tag des Treffens, für das er eigens zum Zentralrat nach Frankfurt am Main gereist war, gesagt, er bringe dem Studienzentrum Vertrauen entgegen, kündigte er am Freitag an, er werde seine Mitgliedschaft im Kuratorium der Denkfabrik ruhen lassen. Zuvor hatte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, die Schließung Weikersheims gefordert. Anlaß hierfür waren Berichte, nach denen General a. D. Reinhard Günzel und der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann auf Veranstaltungen des Studienzentrums sprechen sollten.

Kramer bezeichnete es gegenüber der Netzeitung als "außerordentlich problematisch, wenn Figuren wie Günzel und Hohmann als Referenten eingeladen" würden. Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht: Oettinger distanzierte sich, und die mit Günzel geplante Veranstaltung "Die Bundeswehr als demokratischer Weltpolizist - Sind Auslandseinsätze sinnvoll?", die, wie kaum ein Medium zu erwähnen vergaß, am "Geburtstag Adolf Hitlers" stattfinden sollte, wurde eiligst abgesagt. Ein Vorgang, den Günzel gegenüber der JUNGEN FREIHEIT als ein klassisches Redeverbot bezeichnete, das ihn an den "schlimmsten Stalinismus" erinnere. Er nehme die Absage allerdings nicht persönlich, da sich die Kampagne nicht gegen ihn, sondern gegen Weikersheim gerichtet habe. "Man schlägt den Sack und meint den Esel", sagte Günzel.

"Über Deutungshoheit des Zentralrats nachdenken"

Zuvor hatte die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt ihren Diskussionsbeitrag geleistet und Günzel und Hohmann als "bekennende Antisemiten" bezeichnet. Angesichts der Heftigkeit der Auseinandersetzung nahm sich die Wortmeldung des CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Barthel mutig aus. Der stellvertretende Vorsitzende der baden-württembergischen Landesgruppe regte angesichts der Diskussion über die Vergangenheit des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Hans Filbinger (CDU), in der Chemnitzer Freien Presse an, darüber nachzudenken, "ob der Zentralrat in allen Fragen des Dritten Reiches die alleinige Deutungshoheit hat".

Derweil hatte sich die Diskussion um die Bewertung der Rolle Filbingers in der NS-Zeit weiter in die CDU hineingefressen. Nachdem am vergangenen Wochenende bekanntgeworden war, daß nicht nur Oettinger, sondern auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, Filbinger bereits 1993 (Kauder war damals Generalsekretär der Südwest-CDU) als "Gegner des nationalsozialistischen Regimes" bezeichnet hatte, mußte auch Kauder zurückrudern und seine Äußerungen revidieren.

Das Studienzentrum Weikersheim hat sich unterdessen gegen die heftigen Angriffe von links und die Distanzierung von seiten der CDU zur Wehr gesetzt. Die verschiedentlich angesprochenen Veranstaltungen mit dem Bundeswehrgeneral a. D. Günzel sowie dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Hohmann seien zwar von der Nachwuchsorganisation der Einrichtung - Jung-Weikersheim - "angedacht" worden: "Die erstgenannte Veranstaltung fand jedoch nicht statt, und die letztgenannte wird nicht stattfinden", teilte der Präsident des Studienzentrums, Bernhard Friedmann, mit.

"Ich habe über die Medien von der Absage erfahren", sagte Hohmann, der am 25. August auf Einladung von Jung-Weikersheim in Göttingen von seinen Erfahrungen als Politiker berichten sollte, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Persönlich habe ihm das Studienzentrum allerdings noch nicht abgesagt. "Ich gehe aber davon aus, daß dies noch geschehen wird", sagte Hohmann, der den Vorwurf von Vogt, er sei ein Antisemit, als "Pöbelei unter der Gürtellinie" bezeichnete, die allerdings von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Revanchieren wolle er sich für diese Beschimpfung nicht. "Es ist nicht meine Art, auf einen groben Klotz noch einen groben Keil zu setzten", sagte Hohmann. Auch Günzel denkt nicht daran, juristisch gegen Vogt vorzugehen, und hält sich lieber an einen Ausspruch von Sokrates: "Wenn dich ein Esel tritt, so rede nie davon."

Friedmann versucht unterdessen mit allen Mitteln, seine Einrichtung aus der Schußlinie zu bringen. "Es gehört viel böser Wille dazu, das Studienzentrum Weikersheim angesichts seines Programms öffentlich durchgeführter Veranstaltungen, wie es sich während meiner Präsidentschaft entwickelt hat, in die Nähe von Rechtsextremen zu rücken", teilte Friedmann mit. "Ganz offensichtlich verfolgen viele unserer Kritiker das Ziel, das Studienzentrum Weikersheim mundtot zu machen."


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