© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Auf in die PC-Diktatur
Andreas Mölzer

Die europäischen Moral- und Tugendwächter haben allen Grund zur Freude. Denn die 25 Justizminister der EU konnten sich vorige Woche auf einen Rahmenbeschluß einigen, der die Mitgliedstaaten zur Bestrafung der Leugnung des Holocaust sowie des "Rassismus" verpflichtet.

Dabei tauchen jedoch prinzipielle Bedenken gegen die Bestrafung von Meinungsdelikten auf. Weil die Meinungsfreiheit, die in vielen Staaten Europas mühsam erkämpft wurde, ein zentraler Bestandteil der freiheitlichen europäischen Rechtstradition ist, erscheint es bedenklich, Meinungsäußerungen zu bestrafen - auch wenn diese moralisch auf das Schärfste zu verurteilen sind. Daher ist dem bisherigen Standpunkt Großbritanniens und der skandinavischen Staaten, die der Meinungsfreiheit einen hohen Stellenwert einräumen, zuzustimmen.

Zu berücksichtigen ist aber auch, daß in Mitteleuropa wegen der unleugbaren Verbrechen des Nationalsozialismus und des Stalinismus eine besondere Sensibilisierung besteht. Um so bedauerlicher ist es daher, daß sich die baltischen Staaten, die in besonderer Weise unter der Herrschaft des Sowjetkommunismus zu leiden hatten, mit ihrer Forderung nach einer Bestrafung der Leugnung oder Beschönigung der stalinistischen Verbrechen nicht durchsetzen konnten. Und ferner wären - wollte die EU-Polit-Nomenklatura wirklich aus den Völkermordverbrechen des 20. Jahrhunderts ihre Lehren ziehen - auch die Leugnung des Völkermords der Roten Khmer in Kambodscha, die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa sowie andere Völkermordverbrechen zu bestrafen.

Besonders bedenklich ist der von den Justizministern gefaßte Rahmenbeschluß aber deshalb, weil damit ein Instrument geschaffen wird, um gegen mißliebige Meinungen mit dem Strafgesetzbuch vorgehen zu können. So soll künftig das "öffentliche Aufstacheln zu Gewalt oder Haß gegenüber einer bestimmten Gruppe von Personen oder einer Person, die nach Merkmalen wie Rasse Hautfarbe, Religion, Nation, Abstammung und ethnischen Ursprungs charakterisiert ist", mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und drei Jahren geahndet werden. Die Tatbestandsmerkmale öffnen einer politisch willkürlichen Auslegung Tür und Tor, weshalb feststeht, wer die Adressaten dieser Regelung sind, die angeblich der Bekämpfung von "Rassismus" und "Fremdenfeindlichkeit" dient: die rechtsdemokratischen Parteien Europas und all jene, welche die gutmenschlich verordnete Illusion der multikulturellen Idylle in Zweifel ziehen.

Welche Folgen gesetzliche Moralkeulen haben können, mußte der belgische Vlaams Blok auf leidvolle Weise erfahren. Die flämische Unabhängigkeitspartei wurde nach dem berüchtigten belgischen "Antirassismus-Gesetz" verurteilt. Weil dies den Verlust der Parteienförderung bedeutete, wurde der VB 2004 als Vlaams Belang neu gegründet. Für die selbsternannten EU-Musterdemokraten spielt es keine Rolle, daß im "Kampf gegen Rechts" die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Wenn der Entwicklung, unter dem Vorwand der Bekämpfung angeblichen Rassismus' die Meinungsfreiheit zu beschränken, nicht Einhalt geboten wird, dann läuft die EU Gefahr, sich zu einer Diktatur der Political Correctness (PC) zu entwickeln.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen