© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Frisch gepresst

Carl Schmitt. Ob der Minutentakt noch ausreicht, um den Literaturausstoß in Sachen Carl Schmitt zu messen? Dabei liegt die Produktion zumeist in Händen von Leuten, die diesen Staatsrechtler wirklich nicht mögen und die sich in einer Art Selbstkasteiung dazu zwingen, sich mitunter jahrelang mit seinen Schriften zu quälen. Auch dem an der Münchner Universität der Bundeswehr lehrenden Verwaltungswissenschaftler Rüdiger Voigt kann niemand nachsagen, zu den "Schmittisten" zu zählen. Doch kräuselt sich ihm nicht wie den Rüthers, Gross et al. schon Schaum vor dem Mund, wenn er sich an die Lektüre der "Verfassungslehre" oder des "Begriff des Politischen" macht (Den Staat denken. Der Leviathan im Zeichen der Krise. Nomos Verlag, Baden-Baden 2007, broschiert, 359 Seiten, 44 Euro). Insoweit zeigt er, daß souverän sein heißt, bei Carl Schmitt ruhig Blut zu bewahren. Das zahlt sich gerade bei der Prüfung der den "Alten" umtreibenden Frage nach der Zukunft des Staates aus. Am Ende beurteilt Voigt das Widerstandspotential nationaler Staatlichkeit gegenüber weltökonomischer Planierung nicht nur weit optimistischer als Schmitt, er gelangt auch für einen Mann seiner weltanschaulichen Disposition zu beinahe gegenrevolutionären Einsichten, etwa wenn er zwar noch der linken Illusion nachhängt, soziale Homogenität könne auch aus einer ethnisch inhomogenen Bevölkerung entstehen, aber mit sichtlich kalten Füßen fleht, alles zu tun, "der Bildung von Minoritäts-, Sub- und Gegenkulturen entgegenzuwirken". Womit man mitten im Thema der Buchreihe ist, in der Voigts Werk erscheint, die die "Klassiker" der politischen Philosophie für ein "zeitgemäßes Verständnis des Staates" fruchtbar machen möchte.

Moslems in Deutschland. Die Hannoveraner Religionswissenschaftlerin Ina Wunn hat mit ihrem aktuellen Werk über "Muslimische Gruppierungen in Deutschland" (Ein Handbuch. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2007, broschiert, 272 Seiten, 24,80 Euro) eine punktgenaue Landung vollzogen. So schlägt ihr versierter Überblick Schneisen der Erkenntnis in das Dickicht der verschiedensten islamischen Organisationen, die gegenwärtig als "Ansprechpartner" für die Beziehungen des Staates mit der wachsenden Religionsgruppe in Deutschland (derzeit fast vier Millionen Vertreter) in Frage kommen. So wurden nicht erst bei der Gründung eines Koordinierungsrats der Muslime (JF 17/07) Stimmen laut, daß der sich als "Sprachrohr der Muslime" gerierende Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) nur einen Bruchteil der Moslems hierzulande vertrete. Wunn beschreibt das äußerst heterogene Milieu, das sich nicht nur durch nationale oder ethnische Unterschiede der Herkunftsländer ergibt, sondern auch noch das gesamte Spektrum der muslimischen Ökumene darstellt - Sunniten, Schiiten, Aleviten, Ahmadiyya-Vertreter und Sufi-Orden. Wunn und ihre sie themenspezifisch unterstützenden Beiträger porträtieren die Geschichte und die jeweilige Ausrichtung und bemühen sich, die einzelnen Gruppen gegeneinander abzugrenzen. Insofern bietet sie auch eine notwendige Diskussionsgrundlage zur Einschätzung einer islamistischen Gefährdung, die zumindest einigen Gruppen zugeordnet werden dürfte.

Stalinismus. Die von Jörg Ru­dolph, Frank Drauschke und Alexander Sachse herausgegebene Broschüre "Verurteilt zum Tode durch Erschießen. Opfer des Stalinismus aus Thüringen 1950-1953"( Landeszentrale für politische Bildung, Erfurt 2006, broschiert, 104 Seiten, kostenlos zu bestellen unter www.thueringen.de/tlstu/) porträtiert 101 Zivilisten, die von sowjetischen Militärtribunalen zum Tode verurteilt wurden und in Moskau begraben liegen. Auch mit Hilfe der Aufarbeitungsgruppe "Memorial" konnte der Großteil dieser "roten Opfer" bis heute rehabilitiert werden.


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