© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Die schöne Seele des Kitsches
Neu auf DVD: "Weint um die Verdammten"
Werner Olles

Manche Filme stehen derartig im Schatten eines monumentalen Vorgängers, daß sie trotz ihrer unbestreitbaren Qualitäten vom Publikum leider kaum wahrgenommen werden. Raoul Walshs "Band of Angels" ("Weint um die Verdammten", 1957) ist solch ein Film. Achtzehn Jahre nach dem Welterfolg "Gone with the Wind" ("Vom Winde verweht", 1939) entstanden, der zu einem der größten Kassenerfolge und gleichzeitig zu einem Stück Kinomythos wurde, gilt Walshs überlange Verfilmung des Romans "Amantha" von Robert Penn Warren unter Cineasten gewissermaßen als Geheimtip, der seinem berühmten Vorbild eigentlich in nichts nachsteht.

Daß Clark Gable auch in "Band of Angels" wieder die männliche Hauptrolle spielen durfte, kann man als ein beredtes Beispiel für Hollywoods Fähigkeiten werten, Schauspieler einzusetzen, die nicht nur allgemein beliebt waren, sondern ihre Rollen kongenial zu gestalten wußten. Tatsächlich war er selten so überzeugend wie in der Rolle des ehemaligen Sklavenhändlers Hamish Bond. Und Yvonne de Carlos virtuose Spieleleganz und Schönheit machte die Amantha Starr noch glaubwürdiger als die erdichtete Romanfigur.

Der künstlerische Wert von "Band of Angels" liegt aber nicht nur in der Darstellung - auch die Nebenrollen sind mit Sidney Poitier, Efrem Zimbalist jr. und Rex Reason exzellent besetzt -, sondern auch an dem scharfen Blick des Regisseurs für die stilvolle Inszenierung kulturhistorischer Details: Im Kentucky des Jahres 1865 muß Amantha Starr (Yvonne de Carlo), die hellhäutige Tochter eines verschuldeten Plantagenbesitzers, erfahren und erleiden, daß sie von einer Negersklavin geboren wurde und damit sozusagen zum Inventar der zur Versteigerung ausgeschriebenen Plantage gehört. Hamish Bond (Clark Gable), ein ehemaliger Sklavenhändler, der seine dunkle Vergangenheit bereut, kauft Amantha schließlich, um sie vor Schlimmerem zu bewahren. Sein Versuch, sie wie eine Freie zu behandeln, scheitert jedoch zunächst an Amanthas Verbitterung über ihr Schicksal und ihrem ungebrochenen Stolz. So stellt sich das unausweichliche Happy-End erst nach zahlreichen bedrohlichen Entwicklungen ein, doch schließlich finden beide zueinander.

Walshs aufwendige, von Melodramatik und Gesängen erfüllte Atelierinszenierung, wurde lange Zeit von der Kritik völlig unterschätzt. Erst nachdem "Band of Angels" auf DVD erschienen ist, erkennt man nun die Ästhetik dieses Melodrams, das sich erst ganz am Rande zu einer unkonventionellen Liebesgeschichte verliert. Interpretierbar als Drama der weiblichen (und farbigen) Initiation in der großbürgerlichen Gesellschaft der amerikanischen Südstaaten - die Handlung spielt großenteils in New Orleans -, geht es um Menschen, die um sich herum nicht nur eine Klasse, sondern auch eine Rasse haben, und über sich allein ihre Väter. Wie sonst nur Douglas Sirk in seinen säkularisierten Tragödien ist es Raoul Walsh hier gelungen, die schöne Seele des Kitsches so suchterzeugend beschwörend zum Ausdruck zu bringen, daß man nicht genug davon bekommen kann.


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