© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/07 27. April 2007

Städte im Wandel:
Bohème, Ghetto und die Vorstadt
Christoph Martinkat

Verkehrte Welt. Früher wuchsen Städte zusammen, heute teilen sie sich. So ist die Großstadt Berlin, entstanden durch die Eingemeindung zahlreicher Vor- und Kleinstädte, mittlerweile - wie andere europäische Metropolen auch - in getrennte Zonen unterteilt. Berlins Mitte und der Potsdamer Platz sind so schick, daß sie wie Großraum-Museen wirken. Sie werden von Besserverdienenden und Touristen bevölkert. Parallel dazu mutieren ehemals bürgerliche Stadtteile und die zu DDR-Zeiten als Symbol des Aufschwungs geltenden Plattenbausiedlungen zu Ghettos oder sind auf dem Weg dahin. Hier konzentrieren sich die "Überflüssigen": marginalisierte Einheimische und ausländische Zuwanderer.

Wohnparadiese des Mittelstandes

Diese Konzentration ist hochexplosiv, wie die Aufstände in den Pariser Vorstädten zeigten. Doch Ereignisse wie jene tragen eben zusätzlich zur Abwanderung von bürgerlichen Haushalten an Wohnstandorte bei, die am Stadtrand oder "im Grünen" liegen. So breiten sich an den Rändern Einfamilienhaus-Siedlungen aus. Sie sind Zuflucht des Mittelstandes, den die Immobilienpreise aus der Innenstadt und das veränderte Sozialgefüge aus den Problembezirken vertrieben haben. So entstehen suburbane Strukturen, die den Charakter des Umlandes nachhaltig veränderten. Der Arte-Themenabend "Stadt, Vorstadt, Umland" (Di., 1. Mai, ab 20.40 Uhr) beleuchtet diesen Prozeß. Anhand ausgewählter Beispiele wird gezeigt, wie weit die städtische Dreiteilung fortgeschritten ist, die der Soziologe Jacques Donzelot mit "Verbürgerlichung, Verbannung und Vorstadtbildung" umschreibt.


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