© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Ungewisse Zukunft für "Null Toleranz"
Nordrhein-Westfalen: Landesparteitag der CDU / Zwischenbilanz der schwarz-gelben Koalition / FDP stellt sich quer
Josef Hämmerling

Null Toleranz" - unter diesem Leitmotiv steht der 28. Parteitag der nordrhein-westfälischen CDU, der am 5. Mai in Siegburg stattfindet. "Null Toleranz" soll gleichzeitig auch das neue Leitmotiv der schwarz-gelben Landesregierung werden - jedenfalls wenn es nach CDU-Landeschef und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers geht, der seit der letzten Landtagswahl im Mai 2005 mit der FDP regiert.

Ein kurzer Rückblick auf die letzten zwei Jahre: Eindeutig positiv zu Buche schlägt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit zwischen Rhein und Weser. Diese ging von rund 1,058 Millionen 2005 auf 883.000 Männer und Frauen ohne Arbeit im März dieses Jahres zurück. Die Arbeitslosenquote verringerte sich im gleichen Zeitraum von 12 auf 10,2 Prozent. Hauptverantwortlich wird allerdings mehr der bundespolitische Trend gemacht und weniger durchgreifende Maßnahmen der Landesregierung. Denn gerade im Ruhrgebiet sind nach wie vor keine durchgreifenden Strukturänderungsmaßnahmen erkennbar, und in dieser Frage gibt es anhaltende Probleme mit den Gewerkschaften. Zwar hat die IG Bergbau und Chemie akzeptiert, die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 sozialverträglich zu beenden, wobei sich Nordrhein-Westfalen nach dem Jahr 2014 nicht mehr an den Absatzhilfen für die laufende Produktion beteiligt.

Kritisiert wird aber, daß nicht bereits jetzt mit der langfristigen Schaffung neuer Strukturen begonnen wird, um den damit verbundenen Arbeitsplatzverlust bereits im Vorfeld abzufangen. Zwar wird der Deutsche Bundestag im Jahre 2012 die Vereinbarung zur Beendigung der subventionierten Förderung der Steinkohle auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Bundesregierung mit den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Saarland unter Beachtung der Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der Energieversorgung und der übrigen energiepolitischen Ziele überprüfen.

Dennoch gilt allgemein als sicher, daß am Auslaufen der Subventionierung der Kohleförderung nichts geändert wird. Vereinbart wurde weiterhin, das Auslaufen der subventionierten Steinkohleförderung sozialverträglich auszugestalten und bis dahin von betriebsbedingten Kündigungen abzusehen. Dennoch werden viele Bergleute bereits vorher in einen anderen Arbeitsplatz wechseln wollen, wozu schon jetzt Strukturänderungsmaßnahmen vonnöten wären. Diese sind derzeit allerdings noch nicht in Sicht. Auf massive Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) stieß auch die Ende April beschlossene Änderung des Personalvertretungsgesetzes. Diese bedeutet nach Ansicht des DGB-Landesvorsitzenden Guntram Schneider eine Kündigung des "historischen Kompromisses" der Mitbestimmung.

Einen Dämpfer erhielt die Haushaltspolitik in der vergangenen Woche. Denn gleich der erste Haushalt der schwarz-gelben Landesregierung wurde vom Landesverfassungsgerichtshof als verfassungswidrig zurückgewiesen. So habe der zweite Nachtragshaushalt die in der Landesverfassung vorgeschriebene Kreditobergrenze um 1,43 Milliarden Euro überschritten. Negative Konsequenzen hat diese Entscheidung in der Praxis allerdings nicht. NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sicherte aber zu, sich in Zukunft an die in der Landesverfassung vorgeschriebenen Punkte halten zu wollen.

"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?"

Der Satz von Altbundeskanzler Konrad Adenauer "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" scheint auch die Maxime von Jürgen Rüttgers zu sein. Denn die Ankündigung, sich für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Erwerbslose einsetzen zu wollen, entpuppte sich nun als nichts anderes als ein PR-Gag - durch den der NRW-Ministerpräsident es allerdings in die Liste der zehn bekanntesten deutschen Politiker schaffte. Und das war wohl auch der einzige Sinn dieses Vorstoßes, denn nach Aussagen eines Sprechers der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist eine Bundesratsinitiative "derzeit nicht in Planung". Vielmehr liegt das Thema gegenwärtig in Ausschüssen und Gremien - angesichts des bereits angekündigten Widerstands des bundespolitischen Koalitionspartners SPD dürfte es dort wohl in der Versenkung verschwinden.

Ein Streit in der CDU/FDP-Landeskoalition droht nun auch bei der Inneren Sicherheit. Denn während sich die CDU der "Null Toleranz"-Lösung verschrieben hat, die unter anderem eine "auf dem Fuß" folgende Bestrafung und nicht erst eine "nach Monaten" vorsieht, des weiteren Wiedergutmachung und Schadensbeseitigung etwa bei Graffiti-Schmierereien und einen Abschreckungsarrest, geht dies NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) zu weit. So erklärte dann auch bereits FDP-Landesgeneralsekretär Christian Lindner, mit seiner Partei werde es diese "Null Toleranz"-Strategie auf keinen Fall geben.


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