© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Pankraz,
Tariq Ramadan und das Haus des Krieges

Man spricht vom "Euro-Islam". Ständige Teilnehmer an der "Talk-Society" in Deutschland wie Bassam Tibi und Feridun Zaimoglu bekennen sich zu ihm. Die von Innenminster Schäuble initiierte Deutsche Islamkonferenz nimmt ihn ernst und rechnet mit ihm. Sein geistiger Anführer und Großideologe, Tariq Ramadan in Genf, ist eine echte Silberzunge, wortgewaltig und sprachgewandt, die auch bei erklärten Gegnern Eindruck macht.

Was will der Euro-Islam? Das weiß er vielleicht selber nicht ganz genau, aber dafür weiß er, was er nicht will und wen es zu bekämpfen gilt. Bekämpft werden vom Euro-Islam expressis verbis einerseits der "fundamentalistische Islamismus", andererseits der "nicht weniger fundamentalistische Säkularismus". Beide Fundamentalismen, sagt Ramadan, sind für die friedliche Ausbreitung des Islam "kontraproduktiv".

Der aggressive Islamismus provoziere auf Dauer nur mächtige abendländische Abwehrkräfte und schaffe unnötige Konfrontationen. Denn sein erklärtes Ziel ist die Vertreibung bzw. Ausrottung der traditionellen abendländischen, an ihren Anfängen christlich geprägten Kultur, ihre prompte und vollständige Ersetzung durch den Islam samt Scharia und Kopftuchzwang. Vertreibung und Ausrottung sind dabei ganz wörtlich gemeint. "Wir ficken sie einfach weg", definierte kürzlich ein deutscher Europa-Angeordneter islamischen Glaubens in Hinblick auf seine christlich-säkularistischen europäischen Mitbürger.

Ist der Islamismus in den Augen der Ramadan & Co. schädlich, weil er unnötig äußere Widerstände provoziert, so der Säkularismus, weil er den ganzen Islam von innen heraus zum Einsturz bringen kann. Der Islam ist nun einmal nicht, wie das inzwischen voll säkularisierte europäische Christentum, reine Privatsache und harmlose Feiertagsbeschäftigung, er ist tagtägliche konkrete Lebenspraxis, reicht tief und strukturell in Staat, Familie und Rechtswesen hinein. Wer das leugnet, leugnet den Islam selbst.

Gerade dem Säkularismus, so unisono und anklagend die Anhänger des Euro-Islam, gerade jener "Aufklärung" also, die alle anderen Richtungen um sich herum so eifrig als dumm, obskur, vorgestrig und totalitär denunziert, wohne eine eminent totalitäre Komponente inne. Sie setze das Nichts an die Stelle Gottes, ihre technokratischen Hierarchien maßten sich an, Letztentscheidungen völlig aus eigener Machtvollkommenheit fällen zu dürfen. Das führe über kurz oder lang zum Tod einer jeden Religion, nicht nur des Islam.

Es ist, wie man sieht, ein Zweifrontenkrieg, den der Euro-Islam führt, aber wie steht es mit den inneren Reserven, die ein solcher kräftezehrender Krieg erfordert? Nun, um es klipp und klar zu sagen: Der Euro-Islam hat gar keine Reserven, verharrt im Grunde völlig hilflos in der Spannung zwischen aggressivem Islamismus und wildentschlossenem Säkularismus à la Ayaan Hirsi Ali oder Necla Kelek (wobei er im Zweifelsfalle, wenn es wirklich ernst wird, sofort die alten Hüte des Islamismus aufsetzt).

Kein einziger Satz des Koran, kein einziges Gebot der Scharia wird seriös moduliert. Sicherlich, die Rhetorik ist gemäßigt, die Glaubensbrüder werden fleißig ermahnt, sich an die Gesetze des jeweiligen Landes zu halten, in dem sie leben und deren Staatsbürger sie möglicherweise sind. Auch die jeweiligen "Sitten" gelte es zu beachten, als da sind Demokratie, Frauenemanzipation, moderne Wissenschaft. Doch in jedem Satz der Ramadan & Co. spürt man, wie abgrundtief gleichgültig ihnen dieses "fremde" Land Europa ist, wie alles dort nur als Arrangement auf Zeit und als künftige Abräummasse betrachtet wird.

Bezeichnend Ramadans Stellungnahme zur Frage des "dar al-harb", die seinerzeit viel Furore machte. Grundsätzlich erkennt der Islam nur voll durchislamisierte Länder ("dar al-islam") als Friedensländer an, in denen der Gläubige sich ordentlich zu verhalten hat. Jedes andere Land ist "Haus des Krieges", "dar al-harb", und der Gläubige bewegt sich darin wie eben in Kriegsland, vorsichtig und taktisch, ohne die geringste Loyalität gegenüber den örtlichen Gewalten. Alle Welt erwartete nun, daß Tariq Ramadan als führender Verfechter des Euro-Islam zur Abschaffung der Doktrin "dar al-harb" für Europa aufrufen würde. Doch was geschah?

Nein", verlautbarte der große Meister, die Doktrin "dar al-harb" darf man natürlich nicht abschaffen, und man braucht das auch nicht. Was man jedoch tun kann, ist, das "dar al-harb" umzutaufen, pardon: umzubenennen, und zwar in "dar asch-schahada", "Haus des Glaubensbekenntnisses". In Europa herrsche weitgehend Glaubensfreiheit, und das sei eine gute Chance, mit Geld aus reichen Ölländern viele Moscheen in allen großen und kleinen Gemeinden Europas zu errichten. Dar asch-schahada!

So also steht es mit dem Euro-Islam. Er ist eine schlichte Umbenennungsaktion, auf Zeit natürlich und aus taktischen Gründen. Hoffentlich wußte das auch Herr Schäuble, als er jetzt wieder zur Deutschen Islamkonferenz einlud. Es geht den Euro-Muslimen sowenig wie den fundamentalen Islamisten um Waffenstillstand und schon gar nicht um irgendeine "Integration" oder um Anerkennung säkularer Verabredungen. Es geht ihnen ums Ganze, und - von ihrem Standpunkt aus betrachtet - man kann ihnen das nicht einmal verargen.

Zu hoffen, daß sie früher oder später den materiellen Verlockungen einer "rein wissenschaftlich-technischen Moderne" erliegen und sich säkularisieren werden, hieße, auf Sand bauen. So wie die Dinge liegen, werden sich die religiösen Profile in Zukunft nicht abschleifen, sondern im Gegenteil verschärfen. Wir können den Herausforderungen, die dadurch entstehen, nicht mehr ausweichen, wir müssen sie annehmen. Und in Sachen (Euro-)Islam bedeutet das: das eigene Profil schärfen, dafür sorgen und deutlich machen, daß wir uns nicht aus dem eigenen Haus vertreiben lassen werden, einerlei ob es nun ein Haus des Krieges oder eins der Glaubensbekenntnisse ist.


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