© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

Die Oscar-Königin
Altes Hollywood: Am 12. Mai wäre die großartige Filmschauspielerin Katharine Hepburn hundert geworden
Werner Olles

Anfang der dreißiger Jahre begann eine freie Produktionsfirma, die Pioneer Pictures, mit fotografierter Farbe zu experimentieren. Unter der "Farbregie" des bekannten Bühnenbildners Robert Edmund Jones wurden probeweise einige Farbfilme mit dem von Herbert Kalmus erfundenen und von Walt Disney weiterentwickelten Technicolor-System aufgenommen: Die Resultate mit den beliebten Schauspielern John Barrymore als Hamlet in der Geisterszene und Katharine Hepburn als Jungfrau von Orléans waren so verblüffend gut, daß im Lager der Produzenten Unruhe ausbrach. Offenbar mußte man den Farbfilm doch ernster nehmen als bisher.

Doch sollte es noch eine Weile dauern, bis sich das Technicolor-System endgültig durchsetzte. Die meisten Produktionen der dreißiger Jahre waren Schwarzweiß-Filme wie Katharine Hepburns Screwball-Komödien mit ihrem Traumpartner Cary Grant. Zum Star gemacht hatte sie John Ford 1936 mit "Mary of Scotland" (Maria von Schottland). Sie spielte die Rolle der Maria Stuart mit einer solchen Ausdruckskraft, daß die Kritiker sich vor Begeisterung fast überschlugen.

So überraschte es allgemein, daß bereits ihre beiden nächste Filme "Holiday" (Die Schwester der Braut, 1938) und "Bringing up Baby" (Leoparden küßt man nicht, 1938) temperamentvolle Komödien waren, die mit wunderbaren Einfällen, pausenlosem Witz und gelungener Situationskomik die Zuschauer glänzend unterhielten. George Cukors Broadway-Stück "Holiday" gehört eher zum Genre der sogenannten "sophisticated comedy" und spielt in den bissig-liebevoll ironisierten Kreisen der amerikanischen Geld-Aristokratie. Dagegen ist Howard Hawks' "Bringing up Baby" der Klassiker der Screwball-Komödie schlechthin. Hepburn spielt eine resolute junge Dame, die mit ihrem zahmen Leoparden einen ungeschickten Biologieprofessor (Cary Grant) in prekäre Situationen bringt, so daß er nicht nur seinen Hochzeitstermin versäumt, sondern schließlich auch ihrem draufgängerischem Charme erliegt.

In George Cukors "The Philadelphia Story" (Die Nacht vor der Hochzeit, 1940) ist sie dagegen eine überspannte und ziemlich gefühlskalte Millionärstochter, die von Cary Grant in Gestalt des liebenswert-schnoddrigen Reporters C. K. Dexter Haven eine Lektion in Herzenstakt und natürlicher Menschlichkeit erhält. Am Ende überwindet sie Eitelkeit und Dünkel und findet zu ihrem humorvollen Ex-Gatten James Stewart zurück. Der Film sorgte mit seinem hintergründigen Witz, den schlagfertigen Dialogen und einer satirisch verpackten Gesellschaftskritik gemeinsam mit der glanzvollen Besetzung für einen phantastischen Erfolg beim Publikum.

Immer wieder konnte sie den labilen Tracy aufrichten

Man könnte meinen, daß der Erfolg Katharine Hepburn in die Wiege gelegt wurde. Am 12. Mai 1907 in Hartford, Connecticut, als Tochter eines Chirurgen und einer Frauenrechtlerin geboren, erlebte das liberal erzogene Mädchen eine behütete Kindheit und Jugend. Nach einem abgeschlossenen Studium in den Fächern Philosophie und Geschichte begann sie mit Mitte Zwanzig ihre Hollywood-Karriere. Bis heute hält sie mit zwölf Oscar-Nominierungen und vier Oscars den absoluten Rekord.

Fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens war sie mit ihrem Schauspieler-Kollegen Spencer Tracy liiert, der es als gläubiger Katholik ablehnte, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Beide drehten zehn Filme zusammen, und es gelang Hepburn immer wieder, den genialen, aber äußerst labilen und zudem alkoholkranken Tracy aufzurichten. Als er 1967 starb, verzichtete sie auf die Teilnahme an seinem Begräbnis, obwohl ihre langjährige Beziehung allgemein bekannt war. Katharine Hepburn starb am 29. Juni 2003 im Alter von 96 Jahren in Old Saybrook, Connecticut, an den Folgen einer Krebserkrankung und ihrer Parkinson-Krankheit.

Als einer ihrer schönsten Filme an der Seite Spencer Tracys gilt Elia Kazans "The Sea of Grass" (Endlos ist die Prärie, 1947). Tracy spielt in diesem Edelwestern-Melodram einen reichen Viehbaron, der in New Mexiko um 1880 so verbissen wie vergeblich gegen die Besiedelung durch Farmer kämpft und sich dabei seiner Familie mehr und mehr entfremdet. Seine Frau (Katharine Hepburn) hat aus einem Seitensprung ein Kind, das der Rancher wie sein eigenes aufzieht, was jedoch die Ehe nicht kitten kann. Erst die erwachsene eheliche Tochter führt die Eltern wieder zusammen.

1951 entstand unter der Regie von John Huston "The African Queen". Hepburn verkörpert eine prüde, puritanische Frau von höchster Entschlossenheit, die dem von Humphrey Bogart gespielten Trunkenbold Charlie Allnut hart zusetzt, um ihn zu veranlassen, mit seinem morschen Kahn ein deutsches Kanonenboot anzugreifen. Beide spielten mit großer Überzeugungskraft, und der Film wurde ein echter Kinokassenschlager. Allerdings hatte sich Hepburn in dem von Insekten heimgesuchten, stickig-feuchten Klima im afrikanischen Kongo eine ernsthafte Krankheit zugezogen, die sie noch lange plagte.

Eine puritanische alte Jungfer war sie auch in Anthony Asquiths "The Rainmaker" (Der Regenmacher, 1956), wie bereits ein Jahr zuvor in David Leans "Summertime" (Traum meines Lebens, 1955): Eine etwas gehemmte Amerikanerin erfüllt sich einen langgehegten Traum und reist nach Venedig. Die Begegnung mit den unkomplizierten Menschen, der heiteren Landschaft und der Kultur des Mittelmeeres taut sie allmählich auf. Schließlich verliebt sie sich sogar in einen italienischen Antiquitätenhändler (Rossano Brazzi), und ihr Glück scheint vollkommen. Doch dann erfährt sie, daß er verheiratet ist. Sie verläßt Italien, traurig und doch gestärkt durch eine unverlierbare Erfahrung.

In Joseph L. Mankiewicz' "Suddenly last Summer" (Plötzlich im letzten Sommer, 1959), einem düsteren Tennessee-Williams-Stück, trachtet sie hingegen als gehässige Mutter eines homosexuellen Sohnes, der während eines Urlaubs von Jugendlichen kannibalisiert wird, ihrer Nichte Elizabeth Taylor, die darüber den Verstand verlor, nach dem Leben. Beide spielen ihre Rollen mit fast wilder Begeisterung, und wenn Hepburn ihrer Erzrivalin eine Lobotomie androht, um ihr "obszönes Geplapper" zu stoppen, zittert man als Zuschauer förmlich mit.

Der letzte von zehn Filmen, in denen das Paar Hepburn und Tracy auftrat, war Stanley Kramers "Guess Who's Coming to Dinner" (Rat mal, wer zum Essen kommt, 1967). Hepburns Tochter hat sich in einen schwarzen Arzt (Sidney Poitier) verliebt und will ihn heiraten. Tracy gerät als angesehener und mild konservativer Zeitungsverleger völlig aus dem Tritt, als er davon erfährt. Er findet jedoch Unterstützung bei den Eltern des jungen Schwarzen, während Hepburn in der typischen Manier der Liberalen die Pläne ihrer Tochter unterstützt. Der Film ist im Grund ein oberflächliches Melodram, doch kassierte Katharine Hepburn für ihre Rolle einen Oscar.

Ihren letzten Oscar erhielt sie für "On Golden Pond" (Am goldenen See, 1981), eine sentimentale Komödie über das Altwerden, die zwar nur in einzelnen Momenten witzig-ironisch ist, aber ganz vom Spiel der beiden Stars Katharine Hepburn und Henry Fonda getragen wird. In den folgenden Jahren zog sie sich vom Film zurück, schrieb Bücher und kommentierte von ihrem Domizil in der alten Heimat Connecticut aus gewohnt bissig - in der Gewißheit, daß es Legenden wie sie nie wieder geben wird - das moderne Hollywood.

Fotos: Katharine Hepburn und Spencer Tracey 1942 in "Die Frau, von der man spricht": Schlagfertig; Katharine Hepburn als Millionärstochter an der Seite von Cary Grant in dem Film "Die Nacht vor der Hochzeit" (1940); Zu ihrem Hundertsten zeigt die ARD vom 8. bis 22. Mai verschiedene Filme mit Katharine Hepburn, darunter "Die Frau, von der man spricht", "Die Nacht vor der Hochzeit", "Ehekrieg" und "Endlos ist die Prärie".


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