© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/07 04. Mai 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Frauenberufung
Karl Heinzen

Obwohl Mädchen und junge Frauen im Durchschnitt eine immer bessere Ausbildung durchlaufen und immer höhere Abschlüsse erzielen, sind sie in ihren Berufswünschen erstaunlich konservativ geblieben. Die Neigung zu Tätigkeiten, die man früher als "typisch weiblich" abqualifizierte und die auch heute für die meisten Jungen eher unattraktiv zu sein scheinen, ist ungebrochen. Dieser unerfreulichen Beharrlichkeit versucht man seit 2001 mit einem alljährlichen "Girls' Day" entgegenzuwirken. Ausbildungseinrichtungen, Forschungsinstitute, Behörden und Unternehmen bieten an diesem von diversen Ministerien und Wirtschaftsverbänden unterstützten "Mädchen-Zukunftstag" Schülerinnen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren Einblicke in vor allem technisch ausgerichtete Berufswelten, die sie sich auf eigene Faust vermutlich nicht erschließen würden. 140.000 Interessentinnen haben Ende April auf bundesweit 8.000 Veranstaltungen von einem derartigen Angebot Gebrauch gemacht.

Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Initiative begrüßenswert, da sich ein Nachwuchsmangel in Berufen, die eine gewisse technische Qualifikation erfordern, bereits heute abzeichnet. Dieses Problem ist nicht in erster Linie der Demographie geschuldet und kann daher durch Einwanderung allein auch nicht gelöst werden. Man muß es vielmehr wohl auf einen Mentalitätswandel zurückführen: Die Technikbegeisterung junger Männer sowohl ohne als auch mit Mitgrationshintergrund erschöpft sich nämlich zumeist in der Beschäftigung mit Handy und Spielkonsole. Bilanziert man das, was die männlichen Berufsseinsteiger der nahen Zukunft zu bieten haben, so scheinen sie mehr und mehr in Jobs zu drängen, die es noch gar nicht gibt, da in einer modernen Ökonomie wie der deutschen bislang davon ausgegangen wurde, daß jede noch so triviale Tätigkeit einen wie auch immer definierten Ausbildungsstand voraussetzt.

Die Lücken, die die Männer in ihrem mentalen und sozialen Abstieg hinterlassen, werden also zunehmend durch Frauen zu schließen sein. Das Potential dazu haben sie. Es gilt nur dafür Sorge zu tragen, daß sie nun, da sie sich endlich vermeintlicher biologischer Pflichten entbunden fühlen dürfen, in kein neues Rollenklischee verfallen und keine falsche Scheu oder gar Überheblichkeit gegenüber technischen Berufen entwickeln. Die Wirtschaft jedenfalls wird ihnen ihre Chancen allein schon deshalb nicht verbauen, weil sie für gleiche Tätigkeiten ja immer noch weit schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. 


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