© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/07 11. Mai 2007

Erdrückende Beweise sprechen für Mölders
Bundeswehr: Neue Dokumente belegen regimekritische Haltung des Jagdfliegers / Verteidigungsminister Jung schweigt
Paul Rosen

Die Beweise in Sachen Werner Mölders werden langsam, aber sicher erdrückend. Nicht etwa im Sinne derjenigen, die den erfolgreichen Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges als "Handwerker des Krieges" oder "Auftragskiller" des NS-Regimes ansehen. Vielmehr verfestigt sich durch neue Dokumente des Bild eines Soldaten, der treu und vorbildlich seine Pflicht erfüllte, dem Regime aber mehr als kritisch gegenüberstand. Die neuen Belege werden jedoch von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ignoriert. Der auch heute noch wegen der von ihm erfundenen "Vierfingerformation" international hoch angesehene Jagdflieger Mölders bleibt für die Bundeswehr traditionsunwürdig.

Zur Erinnerung: 2005 befahl der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), das nach Mölders benannte Jagdgeschwader in Neuburg an der Donau und die Mölders-Kaserne in Niedersachsen umzubenennen (JF 11/05). Der SPD-Politiker berief sich auf einen mehrere Jahre zurückliegenden Beschluß des Bundestages, in der Bundeswehr dürfe es kein Erinnern an Angehörige der im spanischen Bürgerkrieg eingesetzten Legion Condor geben. Es gebe neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Mölders, hieß es.

Neue Erkenntnisse über Mölders enthielt jedoch ein vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam verfaßtes Gutachten nicht. Darin werden lediglich für die Traditionswürdigkeit von Mölders sprechende Vorgänge in Frage gestellt. So heißt es zu den in der Mölders-Literatur zu findenden Beschreibungen, der Jagdflieger habe einen seiner besten Freunde, der nach den Nürnberger Rassegesetzen als "Halbjude" galt, vor dem Konzentrationslager bewahrt, "wann sich das zugetragen haben soll sowie der Vorname des besten Freundes wird in der Literatur allerdings nicht überliefert". Mölders konnte nicht zum Widerstand gegen Hitler gehören: Er kam bereits 1941 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Minister Jung erhielt jetzt Post. Es meldete sich der Sohn dieses besten Mölders-Freundes. Michael Küch bestätigt darin die angeblich nicht wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse über Mölders und seine Beziehung zu der Familie des in Brandenburg lebenden Apothekers Richard Küch, der mit einer Jüdin verheiratet war. Sohn Georg Küch galt als "Halbjude", mußte sein Pharmaziestudium abbrechen und konnte es erst nach dem Krieg weiterführen. Michael Küch, der Enkel des Apotheken-Inhabers, schreibt an Jung: "Bis heute erinnere ich mich genau, daß mir mein Vater, als ich zwölf Jahre alt war, von der engen Freundschaft zwischen Mölders und ihm erzählt hat unter dem Hinweis, daß dieser sich während der Nazizeit mutig für die Familie Küch eingesetzt habe und wir ihm sehr viel zu verdanken hätten."

Beweise lieferte Michael Küch gleich mit. Es handelt sich um zwei Mölders-Briefe, die alle Wirren des Krieges überstanden. In dem ersten Brief vom 15. Februar 1941 an Georg Küch empfiehlt Mölders der vom Regime bedrängten Apothekerfamilie, sich an die Reichskanzlei zu wenden: "Ich bin damit einverstanden, daß Du dabei darauf hinweist, daß ich euch persönlich gut kenne und über eure Verhältnisse orientiert bin", schreibt Mölders. Am 16. Februar schreibt der Jagdflieger erneut: "Bitte unternehme im Moment nichts, da ich selbst Schritte eingeleitet habe, die hoffentlich Dir und Deiner Familie Ruhe bringen." Mölders schickt auch ein Foto von sich mit. Es enthält die handschriftliche Widmung: "Meinem Freunde Georg Küch! Werner Mölders". Beide Briefe wurden von Mölders mit der Feldpost geschickt; ein riskantes Unterfangen in einer Zeit, in der Offiziere keine Kontakte mit Juden haben durften.

Schon im vergangenen Jahr waren die Aufzeichnungen des Münsteraner Kaplans Portmann gefunden worden. Portmann arbeitete für den Münsteraner Bischof von Galen, einen erklärten NS-Gegner. Mölders verehrte den Bischof und soll sich bei Hitler für den Kirchenmann eingesetzt haben. Dies bestätigt Portmann in seinem Tagebuch. Im Gutachten des Forschungsamtes wird der Vorgang jedoch angezweifelt.

Und Minister Jung? Der hält es nicht einmal für nötig, den Brief von Küch persönlich zu beantworten. Antworten darf ausgerechnet das für das zweifelhafte Mölders-Gutachten verantwortliche Militärgeschichtliche Forschungsamt. Ein Oberst Dr. Ehlert bedankt sich bei Küch für die Unterlagen, mit denen "das uns bislang bekannte Mölders-Bild um weitere Mosaiksteine ergänzt werden" könne.

So wird die Causa Mölders immer mehr zu einem Trauerspiel. Nicht nur für den SPD-Minister Struck, der aus ideologischen Motiven gehandelt haben dürfte. Sondern vor allem für den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt Jung, der nicht einmal den Mut hat, einen Brief zu schreiben.


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