© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/07 18. Mai 2007

WIRTSCHAFT
Problemfall DGB
Jens Jessen

Kernaufgabe der Gewerkschaften ist es, im Rahmen der Tarifautonomie Löhne und Gehälter mit den Arbeitgebern auszuhandeln. Daher hat sich der DGB früher vehement gegen Angriffe auf das tarifliche Modell gewehrt. Das Fundament der Arbeitnehmervertretung würde untergraben, wenn sie gesetzlichen Mindestlöhnen zustimmen würde. Die Gewerkschaften sind seit dem 19. Jahrhundert dafür eingetreten, daß Löhne und Gehälter für den einzelnen und die Familien eine existenzsichernde Höhe haben. Wenn sie dazu heute nicht mehr in der Lage sind, stellt sich die Frage nach dem Grund.

Der DGB und seine Einzelgewerkschaften stecken in einer schweren Krise. Die Mitglieder kündigen zu Hunderttausenden. Die Spannungen im DGB nehmen zu und es ist niemand in Sicht, der den reaktionären Funktionärskader zum Teufel jagt und die Arbeitnehmer aus der babylonischen Gefangenschaft der Hilflosigkeit führt. Die Globalisierung ist in vollem Gang. Sie ist nicht gottgegeben, sondern von Menschen gemacht. Starke Gewerkschaften in Europa sind das Unterpfand, um gegen die Entwicklung anzugehen. 2007 hätte das Jahr des DGB sein können, wie es das Jahr der Bundeskanzlerin ist. Statt dessen hadern die DGB-Funktionäre wegen der Agenda 2010 und der Rente mit 67 mit "Ihrer" SPD und der Großen Koalition. Die Visionen für ein besseres Europa fehlen. Da kommt es gerade recht, daß sich die Linke für gesetzliche Mindestlöhne stark macht. Ihr Gewerkschaftsverständnis ist geprägt vom Realsozialismus: der Staat setzt die Löhne fest. Der "Freie" Deutsche Gewerkschaftsbund der DDR sorgte für den Urlaub und den reibungslosen Ablauf in den volkseigenen Betrieben. Soll das die Zukunft der Arbeitnehmervertretung in Deutschland sein?


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